Es war ein kalter Morgen mit einem blauen wolkenlosen Himmel noch einer
längeren Regenperiode. Wir hatten bereits unseren alltäglichen Morgenappell
hinter uns gebracht und waren bei Geschützreinigung und
anschließendem Geschützexerzieren. Die Nächte und Tage zuvor waren ruhig und
ohne besondere Vorkommnisse geblieben, sieht man davon ab, dass am 4.
November eine englische Mosquito um die Mittagszeit das Stadtgebiet in
großer Höhe überflog und dabei Flugblätter abwarf.
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B 17 "Flying Fortress"
Startvorbereitung in Duxford (2008) |
Am selben Morgen - auf dem Feldflugplatz Thorpe
Abbots nördlich - der Stadt Ipswich in Ost-England - bereiteten sich die
Besatzungen von 203 amerikanischen 4-motorigen Bombern des Typs B-17 "Flying
Fortress" der 1. Bomber Division und auf einem anderen Flugplatz die Piloten
von 191 Begleitjägern vom Typ P 51-Mustang auf den Flug zu den
Angriffszielen, den Flugplatzen Köln-Butzweilerhof und Köln-Ostheim, vor.
Jeder Bomber trug 10 Mann Besatzung und 7 820 kg Sprengbomben. Wie aus dem
US-Mission-Record ersichtlich, konnten aus irgendwelchen Gründen nur 193
Bomber sich zu einem Kampfverband zusammenschließen, der dann von 182 der
geplanten 191 Jagdflugzeugen begleitet und gegen Angriffe deutscher
Jagdflugzeuge geschützt wurde. Von diesem Verband griffen 96 den Flugplatz
Köln Butzweilerhof und 57 den Flugplatz Köln-Ostheim an, um 177,5 bzw. 180,7
Tonnen Sprengbomben abzuwerfen. Die Bombardierung sollte die Flugfelder
unbrauchbar machen, um unseren Jagdflugzeugen keine Start- und
Landemöglichkeiten in der Nähe der von Belgien und Frankreich vordringenden
alliierten Armeen zu bieten.
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Jäger der Alliierten über Duxford
Airbase (2008)
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Solche Konsensstreifen kündigten der
deutschen Zivilbevölkerung einen weiteren Luftangriff an. |
Von alldem wussten wir aber nichts, bis wir an
die Flakbatterien um die beiden Flugplätze gegen 11:30 Uhr an die Geschütze
beordert wurden. Um ca. 12:30 Uhr steuerte aus westlicher Richtung über dem
Westfriedhof in ca. 5 - 6000 Metern Höhe ein starker Bomberverband, ein
breites Band Kondensstreifen hinter sich herziehend, direkt auf das Flugfeld
zu. Beim Näherkommen fielen aus der Führungsmaschine zwei
Zielmarkierungsbomben, die dicke, weiße Rauchsäulen hinter sich herzogen,
die ca. 50 Meter vor unserer Stellung einschlugen. Vom Batterieführer kam
sofort der Befehl: ,,Alle Mann in die Deckungslöcher.“ 5 - 6 solcher
Deckungslöcher waren um jede Geschützstellung in den Boden gegraben. Wir
hatten diese bisher nach nie benutzt, und als wir nun die Holzdeckel, die
die Deckungslöcher bedeckten, hochnahmen, sahen wir, dass mit der Zeit die
Löcher trichterförmig nach unten zuliefen, wodurch wir nur bis zur Brust
darin Deckung fanden. Als wir nun nach oben schauten, sahen wir eine Menge
schwarze Punkte, die sehr schnell größer wurden und von rumpelnden
Geräuschen begleitet auf uns zufielen. Wir versuchten vergeblich, uns mit
aller Kraft tiefer in den Boden zu drücken ...... und dann schlugen die
Bomben mit unvorstellbarem Krachen und Luftdruck rund um uns ein, wobei man
das Gefühl hatte, auf einem Boot zu stehen, das hin und her schaukelte. Die
ersten Detonationen hatten uns schon das Gehör genommen, so dass man nur ein
Piepsen in den Ohren und gleichzeitig hörte Schlag auf die Brust bei den
Explosionen der Bomben, die rund um uns herum einschlugen, spürte.
Gleichzeitig wurden wir mit Erde zugedeckt. Momente später gruben wir uns -
nach Luft schnappend - aus der feuchten, uns bedeckenden Erde aus und
rannten, ohne dass uns irgend jemand einen Befehl dazu gegeben hätte, durch
den beißenden, undurchdringlichen Explosionsrauch in Richtung Westfriedhof.
Dort waren in ca. 100 - 150 Metern Entfernung 2 oder 3 große Gruben in die
Erde gegraben und durch Gräben miteinander verbunden, die wohl als
Erdkampfstellung dienen sollten. Wir hatten diese Gruben gerade erreicht,
als erneut das zuvor erlebte Rumpeln und Pfeifen ertönte und wir uns wieder
in die Erde drückten und erneut von den Bomben eines weiteren Bombenteppichs
zugeschüttet wurden. Als die Explosionen verklungen waren, gruben wir uns
erneut aus und standen nun da - im abziehenden Explosionsqualm mit nassen,
verdreckten Klamotten, am ganzen Körper unkontrollierbar zitternd und nicht
fähig, ein Wert heraus zu bringen, und rangen um Fassung .......!!!
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Der Bombenteppich
auf unsere Flakstellung südlich des Butzweilerhofs. |
Dann,
als wir das abklingende Motorengeräusch der Bomber gewahrten, machten wir
uns durch die noch immer wabernden Explosionswolken auf den Rückweg an
Bombentrichtern und aufgetürmter Erde vorbei zu unserer Stellung. Dabei
erinnere ich mich, daß ich zum Zeitpunkt des Luftangriffs Wachposten am
Geschütz 1 hatte, wobei, wie bereits erwähnt, im Winter dabei holländische
Holzklumpen getragen werden durften. Da ich zum Zeitpunkt des Angriffs
Wachposten hatte, habe ich diese wohl schon bei dem Sprung in des
Deckungsloch oder bei der anschließenden Flucht verloren und musste nun auf
meinen Socken durch die feuchte Erde laufen, was ich wahrscheinlich jedoch
nicht bemerkte. Dort entkommen, bot sich uns ein Bild, das nicht geeignet
wer, unsere noch immer nicht wiedererlangte Fassung zurück zu gewinnen: lm
unmittelbaren Stellungsbereich waren 10 - 12 Bombentrichter - in einem davon
lagen die Trümmer unserer Baracke - das Geschütz 3 hatte 2 Volltreffer
erhalten -- unsere beiden Toilettenhäuschen waren in die Luft geflogen - an
deren Stelle waren jetzt 2 Bombentrichter - überall lagen Holztrümmer und
Erdhaufen, und unsere Verfassung wer so weit unten, wie die Bombentrichter
tief waren. Aber wir alle lebten noch!!! Einen Moment später gewahrten
wir, dass unser Unteroffizier nicht da war. Wir fanden ihn dann wenig später
in einem fast zugeschütteten Deckungsloch, das von 3 Bombentrichtern
eingerahmt war. Noch unter Schockeinwirkung - unfähig zu sprechen, zogen wir
ihn dann heraus. Nun stand die ganze Besatzung eine Weile, bis der
Batterieführer — ich glaube, es war zu dem Zeitpunkt ein Oberfeldwebel - uns
anwies, das Geschütz, das durch einen Bombentreffer vom Fundamentsockel
gestoßen und mit der Erde des Geschützwalls halb bedeckt
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Soldaten sind vor dem Haupttor des
Gefechtsstand der Kölner Luftabwehr in Fort IV Bockemünd angetreten.
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war, wieder ,,Feuerbereit“ zu machen. Wir waren aber dazu wenig bereit und fragten uns,
was denn nun mit den Trümmern unserer Baracke geschah? Es dauerte nicht
lange, als vom Flugfeld aus ein LKW auf unsere Stellung zurollte, aus dem
unter anderem ein höherer Offizier entstieg, dem unser Batterieführer
Meldung machte und ihn auf seinem Besichtigungsgang begleitete. Der Offizier
kam aus dem westlich neben dem Militärring liegenden
Fort IV aus dem 1.
Weltkrieg. Dort war die Befehlsstelle der 7. Flakdivision untergebracht, von
der aus die gesamte Luftverteidigung im Kölner Raum geleitet wurde. Es ist
anzunehmen, dass der Offizier ein Oberst war, der die 7. Flakdivision
befehligte. Dieser hielt dann eine kurze Ansprache an uns, bei der er unsere
Tapferkeit lobte und dann sagte, dass er veranlasse, dass wir bis zum Abend
wieder eine bezugsfähige Unterkunft haben wurden. Und das war dann auch so!
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Der 24./25. Dezember 1944
Für die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember
verzeichnet das Tagebuch des britischen Bomber Command einen Angriff auf
Köln-Nippes. 97 Lancaster und 5 Mosquitos waren im Einsatz. 5 Lancaster
gingen über dem Kontinent verloren und zwei weitere stürzten in England ab.
Die Resultate dieses Angriffs werden als „extremly accurate“ bewertet und
auf der Basis lokaler Berichte festgestellt, dass Gleisanlagen nachhaltig
zerstört wurden und ein Munitionszug in die Luft geflogen war. Der
nahegelegene Flugplatz Butzweilerhof sei ebenfalls beschädigt worden. 18
Zivilisten und ein Soldat seien getötet worden, als wahrscheinlich Häuser
neben den Gleisanlagen getroffen wurden. Unter den abgeschossenen Bombern
befand sich auch die Lancaster Mk. III, ND 388, HW-G von der 1th Group,
100th Sqn., vermutlich durch Flaktreffer über Köln zum Absturz gebracht.
Alle 7 Besatzungsmitglieder fanden den Tod. Die Nachwirkungen dieses
Angriffs erlebte ich wie folgt. Am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages
etwa 9:30 h wurden wir, 3 - 4 Luftwaffenhelfer, in unserer Stellung mit
einem kleinen Lastwagen abgeholt und zum Flugplatz gefahren. Ein
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Trümmer einer Halifax Mk.I Series III nach dem
Absturz in der Nähe von Köln. |
Offizier
war ebenfalls anwesend. Mitten auf dem Flugfeld brannten Trümmer einer
abgestürzten Lancaster-Maschine, der gläserne Heckstand, das Leitwerk, zertrümmerte Teile der Maschine lagen auf dem Platz verteilt, überall
Brandspuren. Halb im Heckstand der Maschine lag ein Toter der durch den
Aufschlag in sein MG eingepreßt war. Auf Befehl des
Leutnants mussten ein Kamerad und ich das verbogene Metallgerippe
auseinanderziehen und den Toten am Oberkörper hochheben. Die Bekleidung war
nach weitgehend in Ordnung. Wir mussten ihm den Pulli hochziehen und fanden
einen ledernen Brustbeutel, den wir abschneiden und anschließend öffnen
mussten.
Noch heute, jetzt in diesen Augenblick des Berichtens, läuft es mir
kalt den Rücken hinunter, und ich bin immer nach fassungslos über dieses
Geschehen. Im Brustbeutel fand ich den Ausweis eines jungen Kanadiers, der
erst 22 Jahre alt war. Ich war erschüttert darüber, dass dort eine Mutter
auf ihren Sohn wartete, der nie mehr zurückkommen würde, und ich durfte
leben. Wir legten den Toten zurück, unser Auftrag war damit erfüllt. Ich
frage mich, warum wir jungen Luftwaffenhelfer das machen mussten. Was weiter
geschah, weis ich nicht, ein Bergungskommando erledigte alles. Auf dem
Rückweg, zu Fuß, habe ich geheult wie ein Schlosshund und immer diesen toten
Jungen gesehen. Es war eiskalt, wir haben gefroren. Zurück in unserer
Stellung gab es besonders gutes Mittagessen, aber ich hatte keinen Appetit
mehr, Weihnachten war vorbei.
64 Jahre später stand ich im September 2008 vor dem Grab dieses Jungen
und alles kam wieder hoch.
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