Lieber Vater ! Ich erlebe seit einigen Wochen hier am
schonen Rhein so interessante Fahrten mit den augenblicklich vorhandenen
Motorluftschiffen, dass es Dich und die Geschwister vielleicht freut,
einiges dazu zu hören.
Der wichtigste Abschnitt der Übung liegt bereits hinter
uns. Es galt die Erprobung aller drei Systeme auf ihre Leistung in der
Fahrdauer, Geschwindigkeit und der maximalen Hohe, die erreicht und
eingehalten werden können. Meine Komp. und eine neu errichtete
Luftschifferkompanie aus Metz waren dazu schon 14 Tage vor Beginn der
Fahrten hierher geschickt um die ziemlich umfangreichen Vorberei-tungen zu
erledigen, die eine solche, große Luftschiffübung erheischt. Riesige
Gasmengen, ca. 9000 Stahlbehälter trafen in ca. 40 Eisenbahnwaggons nach und
nach hier ein und mußten teils mit großen Rollenwagen, teils auf 2 modernen
Lastkraftwagen - Zügen, die hier schon im letzten Kaisermanöver Gitter (gelastet?) hatten, vom Bahnhof zur Luftschiffhalle transportiert und dort
in komplizierte Füllanlagen eingebaut wurden. Weiterhin trafen in dieser
Zeit die beiden Luftschiffe Parseval I und Groß II mit der Bahn aus Berlin
ein und mußten zusammengesetzt und zur Füllung bereitgelegt werden. Z II
befand sich schon hier in Köln, die Vorbereitung zu seiner Füllung
erforderten auch geraume Zeit.
Die Höhen Entscheidung für diese Übungen war derart plötzlich gekommen, daß
nur wenig geschehen konnte. Ich war mit der Leitung der Vorarbeiten betraut
worden und hatte dementsprechend richtig zu tun.
Das Luftschiff M II des Major Groß in Cöln vor der Luftschiffhalle. Im
Hintergrund der Turm der Kirche St. Johannes, die direkt neben dem
Fort IV liegt. In Fort IV waren
bis 1914 die Luftschiffer untergebracht.
Das alte Opernhaus von Köln. |
Lage des Luftschiffhafens in der Nähe
von Fort IV |
Untergekommen sind wir in einem recht guten Hotel
am Rudolph Platz, gegenüber dem Kölner Opernhaus, meine Kompagnie liegt
in einem Außenfort (Anmerkung: Dabei handelt es sich um das Fort IV in
Bocklemünd. Hier unten rechts im Bild.), an der Nordwestseite, in der
Nähe der ganz außerhalb gelegenen Luftschiffhalle.
Nach Erledigung kurzer Probefahrten, bei denen wir uns
zum 1. Mal den erstaunten Kölnern über den Turmspitzen des Kölner Doms
präsentierten, begannen gleich die ziemlich umfangreichen Prüfungsfahrten.
Mein Kommandeur sollte auf Wunsch der Kommission das
Militär Luftschiff Groß II dabei persönlich führen, ich war ihm als 2.
Führer beigegeben. Z II wurde von Sperling, P I von den Vorsitzenden der
Parsevalgesellschaft, einem Hauptmann d.R. von Kehler, geehrt. Da die P.-
Gesellschaft Lieferant für unsere Luftschiffe nach den Typen Parseval ist,
so mochte man dem Vorsitzenden, der Prüfer in Berlin im Luftschiffer Btl.
war, Gelegenheit geben, seinen Typ (vorzuführen?).
Zu nächtlicher Stunde, gegen 11 u. 12 (Uhr) nachts
wurden wir an einem Sonnabend auf die Reise geschickt. Unsere Route führte
über Dusseldorf; Duisburg nach der Festung Wesel, von dort über Krefeld nach
Jülich und weiter über Düren, Euskirchen und Bonn nach Köln zurück.
Eine solche Nachtfahrt ohne Mondschein stellt an das
Orientierungsvermögen der Luftschiffer große Anforderungen. Es gilt die
Generalstabskarte vor Antritt der Fahrt auf die vorgeschriebene Route
gründlichst zu studieren. Hier im Industriegebiet z.B. die Lage großer
Eisenhüttenwerke mit voraussichtlich nächtlichem Betrieb, z.B.
Bahnlinien mit vermutlichem Nachtbetrieb, große Städte, die an der
Reiseroute oder seitlich davon liegen, Flussmündungen in den Rhein, vor
allem der Lauf des Rheins. Findet man nun solche markanten Punkte beim
scharfen Herunterfahren auf die dunkle Erde wieder, so gibts Dir einen
Anhalt (bzw.?) eine ausreichende Orientierung für den Kurs des
Luftschiffes. Alle einigermaßen großen Orte markieren sich durch ihren
Lichterschein. Es ist außerordentlich wohltuend, wenn nach düsteren halben
oder ganzen Stunden plötzlich solch Lichterschein im nächtlichen Nebel
auftaucht.
Da unsere Fahrtroute während der Nacht dem Rhein
folgte, so hatten wir in Deutschlands Strom stets einen treuen Wegweiser.
Als Düsseldorf mit seinem Lichtschimmer überflogen war, wobei ich des lieben
Willis und ihres Heims da unten in der Inselstraße gedacht hatte, ging es in
nördlicher Richtung weiter auf Duisburg; der Wind und feiner Regen nahmen
gegen 2 (Uhr) stetig zu, so daß wir nur mühsam auf unser nördliches Ziel
Wesel vordrangen. Bei dem Versuch eine oder mehrere starke Rheinbiegungen
abzuschneiden, verloren wir, auch in Folge von Nebel und leichtem Gewölk,
plötzlich die Orientierung. Da die holländische bzw. französische Grenze
nicht sonderlich weit, war die Situation eine zeitlang nicht angenehm, Es
hieß jetzt so aufmerksam wie möglich nach dem Kompaß in östlicher Richtung
zu steuern um eine Abdrift nach der Staatsgrenze so gut als möglich zu
begegnen. Als nach einiger Zeit die Erde wieder sichtbar wurde, standen wir
über einem großen Eisenhüttenwerk u. konstantierten, daß wir fast still
standen. Unter uns feuerte und qualmte es aus den Hochöfen als ob die Hölle
entfesselt war, um uns knatterten die beiden Motore mit ihren glühenden
Auspuffrohren, dauernd Funken sprühend, über uns surrten mit größter
Tourenzahl die beiden Propeller u. alles nutzte nichts, wir standen wie am
Firmament angemauert. Das war nicht schön!
Das Luftschiff Zeppelin Z II folgt dem Lauf
des Rheins. |
Als wir so etwa 1 Std. mit voller Kraft gearbeitet
hatten, erschien hoch über uns Z II, ebenfalls in unsere Richtung steuernd,
aber auch kaum einen Zoll weiterkommend. Manchmal kam er uns so dicht zum
Greifen nahe, es war ein eigenartiger Anblick, dieser mächtige nächtliche
Bundesgenosse ebenfalls im Kampf mit den Elementen.
Endlich entschlossen wir uns in tiefere Luftschichten
zu stoßen, um dort zu versuchen gegen den scharfen Gegenwind aufzukommen.
Erfreulicherweise gelang das, bald war das Hüttenwerk unseren Blicken
entschwunden und wie ein Silberstreif tauchte plötzlich das langersehnte
Rheintal auf. Vor uns lag ein Lichtermeer, daß wir als Duisburg ansprachen,
wir waren stromauf nach Westen gegen Krefeld und weiter verschlagen worden
u. hatten nur durch konsequente, stundenlange östliche Steuerung wieder an
unsere vorgeschriebene Route herangefunden. Nun ging es dem Rhein folgend
mit halbem Wind in ziemlich flotter Fahrt in nördliche Richtung nach Wesel.
Erst um 6 (Uhr) Morgens, nach fast 6 stündiger Fahrt, kreuzten wir über der
Festung und meldeten durch Abwerfen eines Telegrammes unsere Erlebnisse nach
Köln. Während in der Nacht in (niedriger) Höhe gefahren werden durfte,
mußten wir jetzt in die kriegsmäßig vorgeschriebene Höhe über 1000 m
klettern
(die minimalste Höhe für kriegsmäßige Fahrten) und das wurde uns
sehr sauer, da der Ostwind in der Höhe rasch zunahm. Schon in 700 m sahen
wir ein, daß eine Fahrt in diesen Höhen unausführbar (war) wegen zu starken
Gegenwindes. Für solche Falle hatten wir die Weisung die Fahrt abzubrechen
und auf kürzestem Wege nach Köln zurückzukehren. Schweren Herzens
entschlossen wir uns dazu, kletterten munter herunter auf 150 -200 m Höhe
und gewannen hier in südlicher Richtung Terrain in Richtung Duisburg,
Dusseldorf Allmählich war die Sonne aufgegangen und verschönerte das
Rheintal, mithin konnte man den scharfen Biegungen des Flusses nachfolgen,
der ja hier keinen großen landschaftlichen Reiz hat. Überall wohin das Auge
blickte nur Schornstein an Schornstein, von riesigen, industriellen
Betrieben, im übrigen Flachland mit großen Wiesenflächen, auf denen starke
Kuh (?)-herden standen. Von Stunde zu Stunde ging die Fahrt flotter voran.
An einem sonnigen Sonntag morgen gegen 10 (Uhr) überflogen wir zum 2. Mal
Dusseldorf in ca. 400 m Hohe. Diesmal (stand) ich direkt über Willis Haus,
was mir riesigen Spaß machte. Die Begeisterung des Volkes, das dichtgedrängt
auf den Straßen stand und uns mit tausend Taschentüchern zuwinkte war
ordentlich rührend. So gut wir konnten, gaben wir mit unseren 5
Taschentüchern die Grüße zurück. Dusseldorf - Köln (30 km) war in einer
knappen Stunde zurückgelegt. Nach elfstündiger Fahn landeten wir sehr glatt
vor unserer Halle. Wie wir annehmen mußten, hatten die beiden anderen
Schilfe Z II und P 1 ebenfalls wegen starken Gegenwinds die Fahrt abbrechen
müssen u. waren schon vor uns heimgekehrt. Planmäßig, wenn Wetter günstig
gewesen wäre, hatten wir eine Fahrt von mindestens 18 Stunden machen sollen.
Z II war auch d. herrschenden Gegenwind, wegen eines Motordefektes zur
Umkehr gezwungen worden.(?)
Am nächsten Tage bekam ich als Führer von M
II den Auftrag unter Zugrundelegung einer Kriegslage das feindliche
Luftschilf P 1 zu verfolgen, einzuholen und durch das Abwerfen von
Geschossen ( Annahme ) außer Gefecht zu setzen. Das war insofern schwierig
als die Geschwindigkeit beider Schiffe ziemlich gleich ist, nur durch
geschicktes Steuern wäre es vielleicht möglich gewesen. Obgleich ich meine
Maschine mit vollster Kraft laufen ließ, dass das ganze Schiff in allen
Fugen zitterte,·gelang die Sache schon dermaßen nicht, weil die Distanz bis
P 1 in die Stellungen seiner eigenen Armee gelangt war, zu kurz war, um
aufzukommen zu diesem. .... ?
General Erich Friedrich Wilhelm Ludendorff
Passagier im Kölner Luftschiff M II |
.....,,.
hatte sich der Vertreter des Generalstabes Oberstlt. Ludendorf in meine
Gondel gewagt, um eine Luftfahrt einmal aus eigener Anschauung kennen zu
lernen. Er wie, auch die anderen Prüfungskommissare, die an Bord des
feindlichen Schiffes mitmachten, bekamen plötzlich Mut u. hofften (?) sich
an den folgenden Fahrten aktiv zu beteiligen. Schon am darauffolgendem Tage
mußten wir uns die 2 (Uhr) Nachts deshalb um die Ohren schlagen, um die
misslungene 1. Fahrt nach Wesel ( wenigstens was Fahrtdauer und Flughöhe
anbelangt ) zu wiederholen. Mit einem treugemeinten "Mit Gott " drückte mir
Lyncker gegen 11 ( Uhr ) Nachts die Hand u. schickte uns, d. S. M Ü mit Groß
als Führer, ich als 2. Führer auf die Reise, diesmal nach Coblenz und
zurück. Diesmal hatten wir einen Vertreter des Kriegsministeriums (Ob.
Schmiedecke ) an Bord, dem dieser nächtliche Aufstieg wohl etwas unheimlich
schien. Obgleich leichter Dunst auf der Erde lagerte, so war die
Orientierung doch besser als vor 2 Tagen nach Wesel. Mit einer
Stundengeschwindigkeit von 55 km sausten wir den Rhein herauf überflogen
Bonn, Godesberg, Honnef, Königswinter und schoben uns dort in das wieder
enger werdende Rheintal zwischen Drachenfels und Rolandseck. Nur ahnen
konnten wie die Schönheiten dieser Rheinfahrten, denn außer dem Strom unter
uns kamen uns manchmal die Gipfel des Siebengebirges in bedenkliche
Ballonnähe. Doch munter ging es mit Eilzuggeschwindigkeit über Remagen,
Andernach, an Engern vorbei. Schon nach 3 Stunden tauchten die Lichter von
Coblenz vor uns auf. Genau nach 2 Stunden, um l(Uhr) 15 kreisten wir über
meiner Geburtsstadt, die ich mit Bewusstsein wohl
zum 1. Mal wiedertraf seit
den Tagen frühester Kindheit, für die mir leider jegliche Erinnerung fehlt.
Nach Abwurf einer vorgeschobenen Meldung an das Generalkommando des VIII.
Armeekorps traten wir unverzüglich vom "Deutschen Eck" aus die Rückfahrt
nach Köln an. Jetzt wurde die Sache mühsam, ein mittlerer Nordwest stand uns
entgegen u. verlangsamte unsere Fahrt beträchtlich. Neben der Vorsicht nicht
an die Höhen von Andernach anzuecken oder mit dem Drachenfels in
unerfreuliche Berührung zu kommen, galt es scharf aufzupassen auf die nach
uns kommenden Luftschiffe Z II und P I., die später aufgestiegen waren,
denselben Kurs steuerten, der durch das schmale Rheintal sehr beengt war,
und deshalb uns auf der Rückfahrt begegnen müßten. Wenn auch durch die
voraussichtlich verschiedenen Höhenlagen der 3 Luftschiffe hier die
Möglichkeit eine Kollision nur geringe war, so hieß es doch scharf auslugen
und das Steuer sicher handhaben um schnellstens beidrehen zu können. Zum
ersten Mal vermissten wir das Fehlen einer Fahrordnung für Luftschiffe und
bedauerten den Mangel der roten und grünen Lichter an Steuer- und
Backbordseite wie es für Seeschiffe vorgesehen ist. Zur Sicherheit
befestigte ich am Bug unserer Gondel eine elektrische
Parseval Luftschiff während der Fahrt |
Lampe um uns so gut
wie möglich bemerkbar zu machen, auch das Fehlen eines Nebelhorns, Autohupen
oder dgl. empfanden wir. Es dauerte auch nicht lange, so sichteten wir P 1
an unserer Steuerbordseite, etwas unter uns, in schneller Fahrt Coblenz
zustrebend, vorher verabredete Blitzlichtsignale wurden ausgetauscht, dann
ging die Reise weiter. Ausgerechnet im Loch von Andernach erschien Z II
plötzlich aus dem nächtlichen Dunkel auftauchend vor unserem Bug, ein kurzes
Abdrehen nach Rechts u. wir sausten ziemlich dicht aneinander vorbei. Der
große Riesenkoloss sah ordentlich unheimlich aus. So quälten wir uns denn
den schönen Rheinstrom wieder herunter in die Morgendämmerung hinein, unter
stetiger Zunahme des Nordwesters. Zwischen Bonn und Köln hatte der brave
Steuermann, ein Obermatrose der Marine, der als Luftsteuermann (angekündigt?) war oder Groß selbst etwas gedöst, kurz und gut, ich hatte mich gerade
zu einem kurzen Nickerchen, eingehüllt in meinem von Willi erhaltenen
Chinapelz, auf einem Feldstuhl niedergestreckt, wir hatten mal wieder die
Orientierung verloren und krebsten irgendwo herum. Das dauerte eine gute
halbe Stunde, über und unter uns allmählich zunehmender Nebel, als uns
plötzlich wieder der brave Rhein aus der Verlegenheit half. Wir faßten ihn
kurz vor Köln und konnten nun unseren Kurs auf die Halle nehmen.
Die leere Luftschiffhalle in Cöln-Bickendorf |
Als es gerade hell zu werden begann, sichteten wir
die brennenden Bogenlampen der Halle und hielten stracks darauf zu,
hocherfreut damit den ersten Teil unserer Fahrt beenden zu können. Ich stand
gerade am Steuer und treue mich noch, daß es uns so gut gelungen war unseren
braven M II genau darüber wegzudirigieren. Plötzlich sind wir in einen so
dichten Nebel gehüllt, daß die Erde völlig verschwunden; weder die Halle
noch Lichter, nichts war weit und breit zu (erkennen?), wie in einer
Waschküche irrten wir im Nebel herum. Sofort müßte eine konsequente
Kompaßsteuerung nach Westen beginnen um uns so gut wie möglich vom Weichbild
der Stadt Köln zu entfernen, denn daß ist ein Niedergehen auf die Erde wegen
der Bebauung nicht möglich. Da starker Westwind vorher genutzt hatte u.
deshalb vermutlich noch anhielt, so kamen wir voraussichtlich kaum vorwärts,
bewegten uns also nur sehr langsam von der Halle, doch das wußten wir nicht,
denn wir sahen ja kaum die Hand vor Augen. Nebel ist der größte Feind auf
der See und in der Luft. Nach einiger Zeit, als die Sachen nicht besser
standen, schlechter wurden, begannen wir zu kurven, um uns möglichst wenig
von der Halle zu entfernen, denn an eine Fortsetzung unserer für den Tag
vorgeschriebenen Route war nicht mehr zu denken wenn der Nebel anhielt.
Wiederum vemißten wir ein Nebelhorn den inzwischen anrückenden Schiffen
bemerkbar machen zu können. Gegen 6 (Uhr) 45 Vorm. (3/4 Std. nach Beginn des
Nebels ) war unvermutet ein Durchblick auf die Erde möglich, wir kreisten
über einer großen Gasanstalt, aber wo nur die, wo gehörte die hin, das war
die große Frage? Wir waren ganz tief runtergegangen, zahllose Menschen sahen
unserem raubvogelartigem Kreisen zu, so gerne hatten wir sie angeschriehen
und gefragt wo wir waren, doch das unaufhörliche Knattern der Motore, das
monotone Gestürm der Propeller machte eine gute Verständigung unmöglich. Das
Rätsel, wo diese Gasanstalt hingehört, blieb ungelöst. Ein Ritter v.
Frankenberg, Vorsitzender des Aero Klubs in Berlin hat vor einiger Zeit,
vorgeschlagen auf den Straßen die Anschriften im ganzen Deutschen Reich, u.
den angrenzenden Ländern die Ortsnamen in großer, weißer Schrift anzumalen,
ähnlich wie man heutzutage auf Bauernhäusern, hier und da den Namen der
Besitzer liest, mit einer Jahreszahl, und diese Namen nachts beleuchtet. Ja
das ist ein guter Vorschlag, dessen Dienst .... uns an diesem Morgen sehr
willkommen gewesen wären. Während wir so kreisten und immer wieder um die
Gasometer dieser freundlichen Gasanstalt herumsteuern, sehe ich mir die
Nachbarhäuser, die schon wieder im Nebel liegen, an. Da plötzlich taucht
mein Stall auf, in dem meine brave Maikatze eingestellt ist, ich erkenne ihn
und löse durch meinen Ausruf eine freudige Stimmung bei den Mitfahrenden
aus. Plan 23 (7) behält
Luftschiffhafen Cöln-Bickendorf links das Heck von Z II.
Das Luftschiff M II wird gerade in die Halle gefahren. Vor der
Halle diverse zivile Zuschauer. |
seine Richtigkeit! Obgleich wir sonst nichts sahen,
so konnte ich mir doch jetzt die Lage der Luftschiffhalle zu meinem Stall,
die nicht weit voneinander liegen, zurückkonstruieren. Wie ein Pfeil sauste
M II in den Nebel hinein und in Richtung Halle. Ziemlich genau traf ich den
langersehnten Hafen, nun hieß es runter auf die Erde, nur vom an die Halle,
denn der Nebel fing schon wieder an dichter zu werden. Meine gute Kompagnie
hatte mächtig aufgepaßt und fällte gut zu, als unsere Taue die Erde
berührten, wie waren geborgen. Meine Leute hatten uns vor einer Stunde über
den Köpfen gehabt u. plötzlich im Augenblick waren wir verschwunden. Wir
müßten uns nun immer sehr nahe bei der Halle aufgehalten haben, denn surren
hörten sie uns wohl, aber zu sehen war nichts. Doch nun fehlten noch Z II
und P I, wer weiß, wo die herumflattern tun, das war unsere Sorge. Kaum 10
Minuten waren vergangen, da kam P 1 aus dem Nebel herangesaust u. ging wie
wir mächtig schnell herunter um die geliebte Halle nicht wieder zu
verlieren. Auch sein Erscheinen war wunderbar, er hatte sich gänzlich
verfahren u. kommt nach vielem Hin und Her an den Rhein, steuert diesen im
Auge behaltend herauf und kommt nach Köln und konstruiert sich daraus die
Lage der Luftschiffhalle. Was die Orientierung anbelangt, so kommt man der
Not gehorchend, nicht dem eigenen Trotz, unwillkürlich in Training. Wieder
vergeht eine halbe Stunde, da taucht wie ein Gespenst im Nebel Z II auf sich
ebenfalls im Kreise drehend; wir sind schon froh ihn runterzufahren, da
werden die Umrisse wieder undeutlicher, langsam wie er gekommen,
verschwindet er wieder. Wir können uns das gar nicht erklären, denn wenn wir
ihm schon sehen konnten, müßte er doch auch uns gesehen haben, rätselhaft!
Doch nur 10 Minuten schauten wir etwas beunruhigt nach der Stelle, aus der
er verschwunden war, da taucht unser luftiges Schlachtschiff wieder auf und
kommt in glatter Fahrt näher und näher. Hurrah wir hatten ihn! Das war eine
wirklich herzliche Freude als die drei Kolosse wieder friedlich
nebeneinander in ihrem Stall standen.
Start des Luftschiffs M
II vor der Luftschiffhalle in Köln-Bickendorf. Im Hintergrund
die Baumallee des Militärrings. |
Todmüde tat ich in meinem recht guten Hotelbett einen tiefen Schlaf. So
war die 18 - 20 stündige Dauerfahrt wieder unterbrochen worden. Doch da die
Schiffe in 11 - 12 stündiger Fahrt gute Eigenschaften und die Führer gutes
Orientierungsvermögen gezeigt hatten, so wurde von einer 3. Wiederholung der
Dauerfahrt Abstand genommen. Dafür wurden wir schon gleich am nächsten Tag
in die Höhe gejagt, d.h., die Luftschiffe befanden sich eingeschlossen in
der Festung Köln und sollten eine möglichst ergiebige Erkundung der
feindliche Armierungslinien vornehmen, das Ergebnis funkentelegraphisch dem
Gouvernement Köln melden und nach Abfahrt des ganzen Armierungsringes in die
Festung zurückfahren. Dazu war befohlen sofort nach dem Aufstieg in
möglichst kurzer Zeit und vor dem Überfliegen der eigenen Frontlinien eine
Mindesthöhe v. 1000 m über dem Meeresspiegel zu erreichen u. dann erst die
Fahrt in das feindliche Vorgelände zu beginnen. Wieder bestieg ich mit Groß
unsere Gondel des M II, der sich bisher als ein durchaus bereites, sicheres
Fahrzeug gezeigt hatte, um in bisher von Motorluftschiffen nur selten
erreichte Höhen vorzudringen. Diesmal war ein reizender Oberst Voigts-Rhetz vom Kriegsministerium unser Begleiter; alle Achtung, diese Obersten
haben sich mit großem Schneid uns anvertraut und sind von ihren Erlebnissen
ganz entzückt. Nach 40 Minuten (machte?) uns der Wind von 1000 m und nach
weiteren Minuten der von 1300 m um die Nase. Ein herrliches Panorama lag zu
unseren Füßen, inmitten des Belagerungsringes die kreisrunde Stadt Köln mit
ihren
Der Kölner Festungsring |
mächtigen Domtürmen, im Osten die allmählich aufsteigenden Höhen des
Sauerlandes, vom Süden nach Westen in zahlreichen Windungen sich windender,
mächtige Rhein, so zogen wir auf einer Kreislinie um Köln herum, dessen
Radius 15 km maß, mit Köln als Mittelpunkt. Es ging gerade über Schloß
Bensheim hinaus wo die Kinder uns in heller Begeisterung zuwinkten, auch die
Einöde des Artillerieschießlager Wahn bei Köln wurde überflogen. Nach 4 1/2
stündiger Fahrt erreichten wir den Punkt wieder, wo wir die Frontlinie
zuerst überflogen hatten u. durften uns erst jetzt, innerhalb der Frontlinie
aus 1400 m Höhe herunterschrauben, um kriegsmäßig bis zum Schluß zu
verfahren; nach 5 Stunden landeten wir glattest vor unserer Halle. Unser
lieber Oberst Voigst-Rhetz war einfach begeistert von diesem kühnen Fluge
in andauernd 1200 - 1400 m Höhe. Damit hatten wir den Nachweis geliefert,
daß sich die augenblicklich in Gebrauch befindlichen Luftschiffe der
Heeresverwaltung stundenlang in kriegsmäßiger Höhe zu halten vermögen, was
auf den Fortgang der Entwicklung der Motorluftschiffahrt in der Armee,
Bereitstellung neuer Mittel für Neubauten, vermutlich günstig beeinflussen
wird. Wenn nun am nächsten Tage auch kein Ruhetag gegönnt wurde, so sollte
sich doch an die etwas anstrengenden Prüfungsfahrten eine Rheinfahrt zur
Erholung anschließen. Das Luftgeschwader M II, P I, P VI, das
Privatluftschiff` der Parsevalgesellschaft, das evtl. vom Heer angekauft
wird u. sich zu diesem Zweck während der ganze Zeit hier aufgehalten hatte;
es war von der Ila in Frankfurt a/M. eines schönen Tages hierher geflogen,
ohne Z II, der einige Reparaturen auszuführen hatte, sollte unter der
Führung unseres neuen Luftadmirals, dem General v. Lyncker, rheinauf nach
Coblenz dampfen und dort zu Füßen des Kommandierenden Generals VIII A.K.,
Gen. d. Inf v. Plaetz, auf der Karthause runtergehen um durch diesen
besichtigt zu werden. Das war für mich u. alle anderen eine große Freude,
diese schöne Tour noch einmal bei Tage machen zu dürfen, denn nämlich bei
unserer Nachtfahrt hatten wir die Schönheit nur geahnt. In alter Besetzung,
Groß als Führer, ich der 2. und gleichzeitiger Steuermann, vertraute sich
Lyncker diesmal unserer Führung an. In Kiellinie setzte sich das Geschwader
mit M II an der Spitze unter dem Jubel einer zahlreichen Menschenmenge, die
vor der Halle postiert war (Zusatz: in Fahrt). In allen Städten, Bonn,
Honnef, Godesberg, Königswinter etc., die überflogen wurden, war der Jubel
der begeistert veranlagten Rheinländer ganz enorm. Es war ein wunderbarer,
sonniger Tag, wir hatten etwa 50 km Stundengeschwindigkeit. Nein, wie
herrlich ist das Rheintal sobald man am Drachenfels ins Gebirge kommt, links
das Siebengebirge mit seinen herrlich bewaldeten Höhen, dann der Westerwald,
rechts das Ahrgebirge u. die Gipfel der Hohen Eifel, voneinander getrennt
durch den stolzen Rhein mit seinem lieblichen Taleinschnitt. Daß ich meine
erste bewußte Bereisung des Mittel - und Niederrheins per Luftauto einmal
machen würde, hatte ich mir auch nicht träumen lassen. Die entzückenden
Landhäuser bei Rolandseck, die Schlösser und Burgruinen auf dem rechten Ufer
geben dem Landschaftsbild einen eigenartigen Reiz. Lyncker war entzückt,
außer ihm war noch der freundliche Oberst von Voigt-Rhetz bei uns in der
Gondel. In Engers bekamen wir begeisterte Grüße von 60 Taschentüchern. Nach
2 1/2 stündiger Fahrt grüßte uns zur Linken der trotzige Ehrenbreitstein,
zur Rechten, am Deutschen Eck , dem Zusammenfluß von Mosel und Rhein, das
herrliche Kaiser Wilhelm Denkmal, dann gings in flotter Fahrt quer über
Coblenz hinweg, links winkte ich nochmals zurück zur Insel Oberwerth, meiner
Geburtsstätte. P 1 lag hinter uns, PHI war zurückgeblieben und nun herauf
oder vielmehr doch herunter. Auf dem hochgelegenem Exerzierplatz der
Karthause war ein riesiges Viereck von einer Menschenwand wie eingerahmt für
unsere Landung reserviert war. Schnurgerade steuerte ich M II auf den
Standpunkt des Kom. Generals und warf zu seinen Füßen das Schlepptau raus,
das prompt von Mannschaften des Telegrafen Batl. aufgefangen wurde. Sehr
glatt erfolgte unserer gleich die Landung des P1, nach einiger Zeit auch P
IH. So legen folglich zum 1 Male drei Luftschiffe, ausgerichtet
nebeneinander, aufmarschiert am Anker auf der Karthause zur Besichtigung
durch den zuständigen Kom, General, in dessen Korpsbereich diese Übungen
abgehalten wurden. Lyncker meldete kühn wie ein Spanier seine junge Flotte
zur Stelle und bekam zur Antwort, daß der Kom. General noch selbst an Bord
des M II die Ruckfahrt nach Köln mitzumachen beabsichtige.
Moriz von Lyncker |
Lyncker und Groß stiegen aus und ich mußte zum ersten Mal einen so kostbaren
Ballast in der Gestalt eines lebenden kom. Generals sicher u. ungehindert
durch die Lüfte fahren. Sofort wurde wieder alles zum Neuaufstieg
vorbereitet, die Taue hochgenommen etc. Schon nach 25 Minuten erhob sich M
II als erster wieder in die Lüfte und kreiste da, über ihren schneidigen
Kom. General jubelte (die) Volksmenge, und nahm Kurs quer über das Gebäude
der Generalkommandantur, dem sein Inhaber erneut von oben zuwinkte, über die
Mosel in geraden Flug nach Andernach. Ex. v. Ploetz hatte anfänglich nicht
sehr heruntergeguckt, allmählich wurde er dreister und fing langsam an sich
über die Naturschönheiten zu freuen, die schließlich in heller Verzückung
endeten. Ich hörte das nur immer hinter mir, da ich wie angewurzelt am
Steuer stand im Vollgefühl der großen Nervenbelastung, die auf mir ruhte.
Ploetz hatte die Freude seinen alten Generalstabschef Voigts-Rhetz (unser
Oberst vom Kriegsministerium) neben sich zu haben, der ihm alle Erklärungen
gab. Seinen Korpsbereich, das herrliche Rheinland, so souverän zu seinen
Füßen zu haben, machte ihm scheinbar viel Freude. Die Rückfahrt ging noch
schneller als die Hinfahrt. Wir sausten ordentlich an den Gipfeln vorbei, wo
sich jetzt (bekannt gewesen war, daß das "Geschwader" auf demselben Wege n.
Köln zurückkehren würde) noch mehr Menschen postiert hatten wie morgens. An
Godesberg kommen wir z. L. ganz dicht vorüber, wo uns die Menschen sehr nahe
zu sehen bekommen. Die Dunkelheit brach oder war schon hereingebrochen, als
ich mit meiner kostbaren Last die Spitzen des Kölner Domes umkreiste, um
dieser Rheinfahrt den entsprechenden Abschluß zu geben, nur drum, gings
sausend zur Halle, wo wir nach 5 I/2 stündiger Abwesenheit glatt landeten.
Prinzessin Viktoria v. Schaumburg-Lippe |
Auch
hier wurde Ex. v. Ploetz , dessen Mitfahren unterdess von Coblenz gedrahtet
war, mit nicht endendem Hurrah sowie de Kölsche Jungens begrüßt. Seine Frau
war im hintersten Schiff`P III mitgefahren u. ebenso begeistert von ihren
Erlebnissen. An der Halle stellte mich Ploetz der unser da wartenden
Prinzessin Viktoria v. Schaumburg -Lippe aus Bonn vor, Schwester des
Kaisers, die mich sehr gnädig in ein längeres Gespräch zog, in dem ich ihr
vieles zu erklären und Schilderungen von Luftfahrten etc. zu machen hatte.
Schließlich sagte sie sehr freundlich ich mache ihr einen ganz
vertrauenswirkenden Eindruck, mir wurde sie sich gerne einmal für eine Fahrt
im Z II oder dgl. anvertrauen, obgleich sie eigentlich ziemlichen Respekt
vor der Sache zu haben schien, Nachdem ich sie in den Pelzdecken ihres
Automobils noch hatte verstauen dürfen, wurde ich gnädigst entlassen;
demnächst wird sie noch zu einer Luftfahrt wiedererscheinen; wenigstens hat
ihr Kammerherr bereits nahere Erkundigungen eingezogen.
Der folgende Tag galt einer kurzen Schlußparadefahrt. Das Geschwader zu 4
Schiffen M II, Z II, P I u. P VI, wieder unter Führung unseres Admirals!!
Die Begeisterung der Kölner, außerdem die schönste Stadt der Welt, nämlich
Köln, zum 1. Mal so etwas zu sehen bekommen war groß! Lynck war wieder bei
uns in der Gondel. Das Bild der 4 Luftkähne in Kiellinie hintereinander,
bestrahlt von der Sonne war wirklich wunderhübsch! Hoffentlich kann ich Euch
später einmal ein Bild davon zeigen.
Bild rechts: Vorne M II, dahinter
Parseval und Clouth., weit im Hintergrund am linken Bildrand kaum zu
erkennen Zeppelin.
Letzten Sonntag besuchte ich meinen alten Burschen Sattler in Barmen, der
vor 2 Jahren bei mir war. Er zeigte mir erfreut die Schönheiten seiner
Vaterstadt in Wuppertal, abends versprach ich ihm mit unseren M demnächst
einmal über Barmen zu erscheinen. Schon am nächsten Tage konnte ich m.
Versprechen einlösen auf einer 3 stündigen Fahrt dirigierte ich M II nochmal
über Düsseldorf und dann nach Elberfeld und Barmen über Sattlers Haus. Einen
Z. warf ich hinunter, den er auch erhalten hat. Die Fahrt war sehr hübsch,
beide Städte liegen doch fast nebeneinander in dem engen Wupper Tal. Doch
noch schöner ist Duisburg von oben gesehen.
Gestern machte ich mit M
II einen wunderhübschen Vorstoß über Bonn in das Ahrgebirge. Seitdem m.
Kommandeur wieder nach Berlin zurückgereist ist, bin ich erster Führer des M
II.