Dieses Kapitel hat direkt nichts mit der Geschichte der Kölner Luftfahrt
zu tun, obwohl natürlich auch Flieger gerne im Warmen sitzen. Der Begriff "fringsen" hatte in der unmittelbaren Nachkriegszeit
eine sehr große Bedeutung in Deutschland. Dazu gibt es im Internet immer
wieder nur bruchstückhafte Teile zu lesen. Da es sich bei St. Engelbert in Köln-Riehl aber um
meine
Heimatpfarrei handelt und mein Vater auch eine kleine Rolle in dieser
Geschichte gespielt hat, möchte ich hiermit nun diese Geschichte zum 70. Jubiläum so umfangreich wie möglich inkl. der Hintergründe veröffentlichen.
Freunde Kardinal Josef Frings und
Pastor Jacob Clemens
Kardinal
Frings und der damalige Dechant und Pastor Jakob Clemens waren enge Freunde. Aus
diesem Grund besuchte Kardinal Frings auch öfter die Gemeinde St.
Engelbert in Köln-Riehl. So besuchte er nach der Ernennung zum Erzbischof
von Köln auch ihm Rahmen seiner Antrittsreise St. Engelbert - vielleicht
auch um mit seinem Freund Jakob Clemens die Ernennung zu feiern. Meine
Mutter erzählte, dass Pastor Clemens wie auch seine Schwester - die ihm
den Haushalt führte - jederzeit hilfsbereit und freundlich waren.
Zur
Gemeinde St. Engelbert gehörten auch die
Elendssiedlungen am Niehler Hafen und das
Naumann-Viertel. Der Leitspruch
von Kardinal Frings lautet: „Pro hominibus constitutus" was "Für die
Menschen bestellt“ bedeutet. Er verstand sich also verantwortlich für
die Menschen.
Bombentreffer am 21.
April 1944 Chorrückwand, Sakristei, Pfarrsaal, Bücherei und
Heizung zerstört.
Aber wie war die Situation, die im Endeffekt zu dieser Predigt führte?
Von 1939 bis 1945 tobte der 2. Weltkrieg in Europa. Während des III.
Reichs wurden alle verfolgt, die sich nicht offen zur Politik der Nazis
bekannten. Auch Pastor Clemens wurde von den Nazis in Haft genommen. Bis Ende des Krieges war die Versorgung in Deutschland gut,
weil Nahrungsmittel und andere Dinge in den besetzten Ländern
beschlagnahmt und nach Deutschland wurden. Diese Versorgung brach natürlich ab, nachdem
Nazi-Deutschland besiegt war. Nach dem Angriff Deutsch-lands auf die
Nachbarländer wurden von den Alliierten nach und nach deutsche Städte
bombardiert. Im
21. April 1944 wurde
St. Engelbert in
Köln-Riehl von einer
Luftmine getroffen. Die Unterkirche,
die damals als Luftschutzbunker diente, war voller Menschen. Entsprechend
groß war der Schreck als die ganze Kirche wankte - aber sie hielt der
Explosion stand. Auf Grund der Konstruktion der Kirche wurde nur die
Chorrückwand "sauber" heraus gerissen, die restliche Konstruktion blieb annähernd
unbeschädigt. Der
damalige Chronist von Riehl Karl Peusquens beschrieb die Szene so: "Im
Luftschutzraum unter der Kirche befanden sich im Augenblick des
Einschlages 400 Menschen. Der Raum schwankte wie ein Schiff im Sturm, Kalk
fiel von den Wänden, aber die Mauern hielten stand." Dabei wurde
nicht nur die Chorrückwand herraus gerissen, sondern auch eine Stützwand
der Sakristei wurde zerstört, wodurch das Dach auf die Sakristei stürzte.
Dabei wurden Messgewänder, Monstranzen, Messkelche und diverse kirchliche
Gebrauchgegenstände zerdrückt. Aber auch der Pfarrsaal, die Bücherei,
Gruppenzimmer und auch der Heizungskeller zerstört. Zeitzeugen beschreiben die
besondere Athmosphäre der Heiligen Messen im Sommer wenn man hinter dem
Altar den offenen Himmel über Riehl sehen konnte. Bis dahin war der
Chorraum durch einen Bretterzaun mehr oder weniger geschlossen.
Der Chor wurde notdürftig auf Höhe der
obersten Stufen zum Hochaltar mit einem Bretterzaun verschlossen.
Im
April 1946 begann der Wiederaufbau der Kirche, der erst im November 1946
beendet wurde. Es war ein Wettlauf gegen die Witterung. Am 13. Oktober war
die Rückwand geschlossen und am 1. November die Verglasung der linken
Chorwand wieder hergestellt. Insgesamt kosten von 36.000,- Mark. Dazu wurden
ca. 60.000 Ziegel der alten Notkirche St. Engelbert vom Riehler Plätzchen von der damaligen katholischen Jugend vom Mörtel
befreit und für den Wiederaufbau der Rückwand gesäubert. Noch heute sieht
man bei genauem Hinsehen, dass die Chorwand in
ein paar Metern Höhe einen horizontalen Knick hat. Somit ist die alte
Notkirche in der "neuen" Kirche aufgegangen. Die Aufbauarbeiten
von Sakristeigebäude, Pfaarsaal, Bibliothek und Heizung wurden erst 1948
abgeschlossen.
Zu dieser
Zeit war Köln zu 90 % zerstört, wobei ca. 75% aller Wohnung in Köln durch
den Bombenkrieg unbewohnbar waren.
Viele Dinge, die man zum Überleben
braucht, waren auf legalem Weg nicht zu bekommen. Berühmt waren auch die
Hamsterfahrten in die Eifel oder das Bergische Land um bei Bauern
Lebensmittel einzutauschen. Manche Bauern haben so ein Vermögen gemacht.
Als mein Vater in diesen Jahren zur Heiligen Kommunion ging, bekam er eine
Flasche Milch geschenkt und war sehr froh darüber. Die Not war sehr groß.
Zu diesen Hamsterfahrten hat Toni Ebeler 1947 ein passendes Lied
komponiert, dass die
Bläck Fööss heute unter dem Titel
"Hamsterfahrt" wieder aufleben lassen.
Am 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation somit Kriegsende und Befreiung
von der Diktatur, stattete Erzbischof Frings (zum Kardinal wurde er am 18.
Februar 1946 erhoben) der
Pfarre St. Engelbert einen Besuch ab. Im Juli 1945 wurde bei einem
Einbruch wertvolles Kirchengerät gestohlen. Zu dieser Zeit strömten
tausende Kölner
Flüchtlinge zurück in ihr Köln - oder das, was davon übrig geblieben war. Für diese Rückkehrer standen weder
Wohnungen noch Nahrungsmittel zur Verfügung. Der Stadtdechant und der
evangelische Superintendent verkünden: "Von Evakuierten zurück gelassene
Verbrauchsgegenstände (Lebensmittel, Heizstoffe) dürfen von den Zurück
gebliebenen verbraucht werden, unter der Verpflichtung späterer Bezahlung.
Sonstiger Besitz (Möbel) darf bis zur Rückkehr des Besitzers in Gebrauch
genommen werden."
Dann kam der Winter. Es sollte der strengste Winter des
20. Jahrhunderts in Europa werden. Die Temperaturen fielen auf bis zu -20 Grad.
Alle Wohnungen waren eiskalt - Heizmaterial gab es nicht. Diese Kälte
kroch in die Glieder, zusammen mit dem Hunger und den Erinnerungen an den
Krieg verfielen die Menschen in Apathie. Das führte zu vielen Kältetoten.
Der Winter 1946/47 war der
kältesten Winter seit Jahrzehnten und ging als Hungerwinter 1946/47
in die Geschichte ein.
Der Schutthaufen Köln im Sommer 1945.
Winter 1946 - der verschneite Alter Markt mit dem Denkmal für Jan van
Werth auf dem Alter Markt.
Obwohl Riehl durch den Krieg relativ verschont wurde, waren wie überall
auch hier Wohnungen kanpp und grundsätzlich überbelegt. Somit waren auch
Heizungen bzw. Heizmaterial Mangelware. Überall in Deutschland wurden
Brikett bzw. (Kölsch) Klütten von den Eisenbahnwagen gestohlen, die eigentlich für
die Besatzungsmacht gedacht waren. Die Riehler hatten eine "Quelle" direkt
vor der Haustüre. Im Niehler Hafen wurden die Brikett von Schiffen auf Güterwagen
umgeladen. Ein paar Jugendliche standen auf den Wagen und warfen die
Klütten runter, während andere am Fuß des Bahndamms die Klütten
einsammelten und in Kinderwagen, Bollerwagen oder andere Handwagen
umzuluden. Oft kam es zu Verhaftungen durch die Polizei oder man musste
die "Beute" und Wagen liegen lassen um noch zu entkommen. In wieweit die Polizei
und Bahnmitarbeiter sich Mühe gab ist nicht bekannt. Es ist aber von manchen Beamten sowohl
bei Polizei als auch bei der Bahn bekannt,
dass er beide Augen zudrückte......
St.
Engelbert um 1930. Noch steht der Altar an der
Chorrückwand. Vorne sind noch die Kommunions-bänke zu
sehen. Das änderte sich erst mit dem
II. Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren.
Kadinal Frings
zelebriert eine Messe in St. Engelbert Köln-Riehl. Rechts die Kanzel auf der er seine
berühmte Silvesterpredigt gehalten hat.
Auf dem
schwarzen Markt versickerte die Ernte, weshalb 1946 auch die
Rationen verringert wurden. Lt. einer Norm des Völkerbundes
benötigte jeder Mensch 2400 Kalorien. Es konnten auf Grund der
Versorgungslage aber nur 1500 Kalorien ausgegeben werden, die dann
aber auf 800 Kalorien verringert werden mussten. Also nur 1/3 der
vorgegebenen Mindestnorm! Hungerödeme waren eine weit verbreitet
Krankheit. In dieser Zeit
besuchte Kardinal Frings oft inkognito mit Pastor Clemens die Riehler Elendsquartiere in
der Barbara-Kaserne (1984 abgerissen, heute Bundesverwaltungsamt) oder das Fischerdorf am
Niehler Hafen (wurde zur Erweiterung des Niehler Hafens geräumt und
abgerissen). Der Kardinal wusste also wovon er sprach als er seine Prdigt
formulierte!
Da der Dom
und das Erzbischöfliches Palais auf Grund einer Vielzahl von Bombentreffern nicht genutzt werden konnte
und man Silvester auch mit Freunden verbringt,
zelebrierte Kardinal Frings am 31. Dezember 1946 die Silverstermesse bei
seinem Freund Pastor Clemens in Köln-Riehl in der eiskalten Kirche St.
Engelbert. Wie Zeitzeugen berichten, war die Kirche in dieser Nacht
voll. Nur auf dem Altar brannten Kerzen, ansonsten war es in der Kirche
stockdunkel und eiskalt (weit unter 0 Grad). Auf Grund der Kälte forderte
der Kardinal die Kirchenbesucher auf die
Hüte und Mützen aufzubehalten .
In dieser Silvesterpredigt behandelte
er die Zehn Gebote. Als er im Rahmen der Gewissenprüfung zum siebten Gebot
kam, das lautet: "Du sollst nicht
stehlen.", erklärte er unter dem sehr starken Eindruck des
ganzen Elends in Riehl, in Köln, in ganz Deutschland in seiner Predigt
in Bezug auf die Plünderungen von Kohlenzügen und die schlechte
Versorgungslage Folgendes:
„Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der
Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und
seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine
Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann.“ Weiter erklärte Kardinal Frings, der ja seine Rheinländer kannte:
„Aber ich glaube, dass in
vielen Fällen weit darüber hinausgegangen worden ist. Und da gibt es nur
einen Weg: unverzüglich unrechtes Gut zurückgeben, sonst gibt es keine
Verzeihung bei Gott.“
Das wurde aber gerne überhört.
Außerdem erklärte der Kadinal: "Wir stehen am Rand der Zeit und
erkennen enttäuschte Hoffnung, aber auch neuen Anfang... Wer ein Volk in
leibliche Not stürzt, braucht sich über sittliches Elend nicht zu wundern.
Mit dem Fehlen der Grundbegriffe der Volksmoral, insbesondere der
geschlechtlichen Sauberkeit und des Eigentumbegriffes, ist die Axt an die
Wurzeln unseres Volkskörpers gelegt. Der Mensch steht entweder über dem
Tier, oder weit unter ihm! Im Höllensturz der jüngsten Vergangenheit
sanken Menschen unter das Tier und schufen im Kampf gegen die
abendländische Kultur jene materiellen und seelischen Ruinen, vor denen
wir heute stehen."
Die Kölner verstanden aber: "Der Frings
hat erlaubt Klütten zu klauen." Das war natürlich eine weite Auslegung der
Predigt, aber
Not macht erfinderisch. Der Kardinal war auch Jahre später nicht glücklich, dass seine
Predigt so ausgelegt wurde. Eigentlich wollte er den Alliierten nur einen
kleinen Denkzettel mitgeben.
Blick von der
Kanzel von St. Engelbert in die dunkle Kirche.
Noch im hohen Alter, kurz vor seinem
Tob bedauerte er die Wortwahl und erklärte, dass er das so nicht
gemeint hat. Rückblickend kann man sagen, dass er so
viele Menschen vor dem Erfrieren gerettet hat. Hätte er eine andere Wortwahl
benutzt, wäre durch mangelnden
Kohlen"klau" der ein oder andere Menschen erfroren.
Daher musste sich der Kardinal keine Vorwürfe machen.
Das Manuskript der Silvesterpredigt liegt im Erzbischöflichen Historischen Archiv
und ist das Dokument, dass die Besucher
immer wieder sehen wollen.
Das
Wappen von Kardinal Frings mit seinem Wahlspruch: „Pro
hominibus constitutus" "Für die Menschen bestellt."
Also
nahmen diese Art der "Besorgung von Heizmaterial" spürbar zu. Schließlich war es ja von
höchster kirchlich-moralischer Instanz erlaubt - wie man sagte. Sofort
bezeichneten die Kölner kleinere Diebstähle oder Unterschlagungen als
„fringsen“. Das damit am Anfang bestimmt ein schlechtes
Gewissen verbunden war ist möglich. Hier wurde durch den Kardinal
etwas moralischer Druck genommen. Allerdings entwickelte dieser Begriff
in ganz Deutschland eine Eigendynamik die so nicht von ihm geplant war.
Ein Redakteur der Kölnischen Rundschau formulierte: "Die Moral
sinkt unter dem Würgegriff der Not. Nur zum Teil sind sich die
Menschen ihres Handelns bewusst." Natürlich bemerkte das,
aber auch die Zunahme des Klüttenklaus auch die britische Militärregierung.
Die Briten waren entsetzt. Der Kardinal musste sein Manuskript zw. Prüfung einreichen. Dieses
Manuskript ist hier links abgebildet. Wie wenig das Manuskript den
Briten geholfen haben dürfte eine Aufklärung dieses "Falls" durchzuführen,
sehen Sie selber. Kardinal Frings wurde
zu einem ernsten Gespräch beim damaligen neuen britischen Gouverneur der Rheinprovinz
William Asbury nach Düsseldorf vorgeladen. Im Vorzimmer saß
ein Oberst, der den Kardinal empfing und ihm eine Zigarette anbot.
Man telefonierte überall herum, um den Gouverneur zu finden, der
war allerdings nirgendwo zu finden. Nachdem sich der Gouverneur
also verspätete, erklärte
Kardinal Frings (immerhin der höchste Repräsentant der katholischen Kirche
und somit der einzigen noch funktionierenden Organisation in der
Trümmerwüste Deutschland) nach ca. zehn Minuten Wartezeit (Zitat)
"Ich kann aber nicht länger warten, ich bitte Herrn Asbury meine
Empfehlung auszurichten, ich muss jetzt gehen." Wie der Kardinal
weiter erzählte, hätte der Oberst ihn am liebsten gewaltsam zurück
gehalten aber da war Frings schon fort. Er erklärte
seinem Fahrer: "Jetzt schleunigst weg, es konnte gar nicht besser
gehen." Später kam ein Entschuldigungsbrief von Gouverneur
Asbury.
1983 stiftete der
Heimatverein Alt Köln e.V.
unter dem Vorsitz von
Dr. Heribert Hilgers eine
Gedenkplatte um an diese Prdigt und ihre Auswirkungen zu erinnern. Die Platte wurde vom Vorstandmitglied Walter Anderle
gestaltet und von der Firma
Kreiten
angefertigt. Mein Vater hat die Platte dann an der Kanzel von St.
Engelbert angebracht. Bei den Stiftern handelte es
sich um Zeitzeugen die damals als Kinder selber Klütten gefringst hatten um
nicht zu erfrieren oder zu verhungern. Die Kölner haben ihm nie
vergessen wie er ihnen moralisch half. Kardinal Josef Frings ist der einzige Kölner Kardinal,
der zum Ehrenbürger der Stadt erhoben wurde.
Kardinal Josef Frings auf offiziellem
Besuchin St. Engelbert in Köln-Riehl.
Kardinal Frings ist nicht nur
wegen dieser Auslegung in die Herzen der Rheinländer eingegangen. Er
verstand sich als Leutepriester, jemand der sich um die kleinen Leute
sorgt und hilft. So ist auch sein Wahlspruch zu sehen: "Pro homnibus
constitutus" -> Für die Menschen bestellt. Über die spätere Bezeichnung
"Volksbischof" hat er sich sehr gefreut, wie man in dem hier
unten angefügten Video sehen kann. Aber auch
sein Humor und auch seine Menschlichkeit macht ihn zu einer Person, die nicht nur
geachtet, sondern auch geliebt wurde. Mit feinem Humor verstand er es,
seine Rheinländer zu führen und zum Nachdenken zu bringen.
Noch mit der Not der deutschen im Kopf, war er auch maßgeblich an der
Gründung der Hilfsorganisation
Misereor und Adveniat beteiligt. So wie Besucher Kartoffeln auf
das Grab des
Alten Fritz legen, sollten die Besucher auch Klütten
vor das
Grab des Kardinals legen können (was leider nicht möglich ist).
Während des II. Vatikanischen Konzils nahm er einen entscheidenden
Einfluss daran den Katholizismus in eine menschlichere Richtung zu
lenken. Einer seiner Berater während des Konzils war Professor Josef Ratzinger, der
spätere
Papst Benedikt XVI.
Mit seinem Rheinischen Humor verstand er es Problem
verständlicher zu machen. Als ihm einmal
vorgehalten wurde, dass er vor der Bischofsweihe unbefangener gesprochen
hatte, erwiederte Frings mit dem Selbstverständnis seines hohen
Kirchenamtes aber auch mit Altersweisheit: "Werden Sie erst mal Bischof, dann sagen Sie auch nicht mehr
alles, wat Sie vorher jesagt und jedacht haben!" Kardinal Frings erblindete im hohen
Alter. Auf dieses Gebrechen angesprochen erwiederte er einmal: "Jod luure
kann ich schlääch, ävver schlääch hüre, dat kann isch jod" (Gut sehen kann
ich schlecht, aber schlecht hören, das kann ich gut! )
Die Messdiener
von St. Engelbert planten im Herbst 1978 den alten Kardinal zu besuchen.
Wir waren uns sicher, dass er sich auch auf Grund seiner Verbindung zu St.
Engelbert sehr
gefreut hätte. Aber dazu sollte es nicht mehr kommen. Am 17. Dezember 1978 verabschiedete
sich Kardinal Josef Frings. Seine letzte Ruhestätte fand er in der
Bischofsgruft der Kölner Erzbischöfe unter dem Hochaltar des Kölner Doms
und somit auch geografisch im Herzen von Köln. Ein verdienter
Ruheplatz.
Josef Frings war kein abgehobener Theologe mit erhobenem Zeigefinger,
sondern ein Priester aus und für das Volk. Er liebte die Menschen und
deshalb liebten die Menschen ihn.
Aber das war nicht
die einzige Verbindung des Kardinals zu St. Engelbert. Kardinal Frings und
Pastor Clemens (Pfarrer von St. Engelbert) fuhren auch zusammen in Urlaub oder waren am Wochenende auf Wanderschaft in der Eifel. Der damalige Kaplan
Nikolaus Vogt (später Pastor in St. Laurentius Porz-Ensen),
in St. Engelbert seit 1948,
unternahm mit den Messdienern aus St. Engelbert Vortouren, um seinem Pastor
dann Bericht zu erstatten wo es sich lohnte einzukehren oder wo man gut
übernachten konnte. Die ehemaligen Messdiener trafen sich noch bis in die 1990er
Jahre am Namenstag von Pastor Nikolaus Vogt bei ihm zu Hause in
Köln-Ensen.
Kaplan Schneider, Kaplan Maßen,
Pastor Clemens, Kaplan Vogt Pfarrsitzung Karneval 1955 in
der Flora.
Kaplan Nikolaus Vogt begrüßt den
Kardinal vor der Kirche St. Engelbert.
Aber auch in den folgenden Jahren besuchte
Kardinal Frings St. Engelbert immer wieder gerne. Das Bild unten
zeigt ihn bei einer
Visitation des Kindergartens von St. Engelbert mit Pastor Clemens. Pastor Clemens
verstarb im Schlaf am 23. Mai 1963 auf Christi Himmelfahrt,
nachdem er das Hochamt gehalten hatte und sich nach dem
Mittagessen noch einmal hingelegt hatte. Wie der damalige
Messdiener Toni Annas erzählte, celebrierte Kardinal Frings noch
die Exsequien für seinen Freund Jakob Clemens, was ihm
verständlicherweise schwer gefallen ist. Da sein Freund verstorben
war, gab es für Kardinal Frings nach 1963 keinen Anlass mehr nach
Riehl zu kommen. Die Nachfolge von Pastor Clemens übernahm
Pastor
Gerhard Blinne.
Vorne Kardinal Frings, dahinter
Pastor Clemens, links Weihbischof Cleven. Rechts die
Kindergartenleiterin Frau Willms mit den Kindern des
Küsters Peter Metzemacher. Frau Willms
war
auch dieKindergartenleiterin des
Verfassers.
Schon
mein Großvater Leo Müller
war im Kirchenvorstand tätig. Hier bei der
Grundsteinlegung des neuen Jugendheims. Mit dabei auch
Matthias Bailly, der
Vater von Adolf Bailly, der jahrelang die Kollekte in der
Kirche einsammelte. Weiter rechts sein ältester Sohn
Everhardt Bailly.Im Hintergrund der Direktor der
Katholischen Grundschule Gartestraße Bühlstahl. Geleitete
wurde die Zeremonie von Pastor Clemens und Kaplan
Vogt, der für die Jugend zuständig war.
Mein Vater Hans
Günter Müller - Zeitzeuge (1935 -
2007)
Schon in jungen Jahren war
mein Vater aktiv in der Gemeinde tätig. So vertrat er den Küster
Peter Metzemacher nach der letzten Messe, wenn Prof. Dominikus Böhm eine
Führung durch seine Kirche unternahm, und schloss die Kirche ab. Später war mein Vater auch im
Kirchenvorstand aktiv und übernahm verschiedene Aufgaben. Dazu gehörten
auch die umfangreichen Instandsetzungen des Pfarrhofs von St.
Engelbert, Beratung bei der Renovierung der Kirche (Verbesserung
der Akustik), Organisation der Pfarrsitzung in der Flora aber auch die Durchführung von Ferienlagern für
Riehler Kinder und Jugendliche in Kürten und Eddigehausen.
Als Messdiener hatte er in einer Bank unter der Kanzel
diese Predigt gehört. Daher war es nun für ihn,
der auch Mitglied im Heimatverein Alt Köln e. V. war, etwas ganz Besonderes diese Gedenkplatte an der Kanzel anzubringen.
Das Problem war allerdings wie diese Tafel
befestigt werden sollte. Die Tafel hatte keine Bohrlöcher sondern
angegossenen Zapfen. Um genaue Löcher zu bohren, fertigte mein Vater
zuerst eine Bohrschablone aus Holz an. Dazu empfahl ihm der
Riehler Eisenwarenhändler Herr Thurn sogenannte Knet- oder auch Gipsdübel.
Diese Dübel wurden in Wasser eingelegt und in das Bohrloch gestopft. Danach wurden die Zapfen
der Gedenkplatte in die mit Gipsdübel präparierten Löcher gedrückt. Vorher
befestigte mein Vater hinten an der Platte aber einen Zeitungsartikel mit
den Informationen der Schenkung des Heimatvereins Alt Köln in einer
Klarsichthülle.
Bild rechts: Die originale Dose
mit den Knetdübeln.
Bild unten: Die erste Aufnahme
der neuen Gedenkplatte kurz nach der Befestigung an der Kanzel.
Bild unten: Die Kanzel mit der
Gedenkplatte Ende Dezember 2016
Bild unten: St. Engelbert in Köln-Riehl
Die bekannte
Kölner Künstlerin Gerda Laufenberg hat das Thema "fringsen" in
einem ihrer vielen kreativen Köln-Bilder aufgegriffen. Hier schwebt der Kardinal wie ein guter
Geist über dem zerbombten dunklen Köln, während "unter seinen
Augen" die Kölner Klütten fringsen um zu überleben.
Ein Nachruf zum 125. Geburtstag von Josef Kardinal Frings vom
Dom-Radio mit ausführlicher Erwähnung der Silvesterpredigt und seines
Wirkens während des II. Vatikanischen Konzils. Prälat Norbert Trippen
erzählt hier, wie sich Kardinal Frings und der jungen Professor Josef
Ratzinger trafen.
Anlässlich des 75 Jahrestages der
Silvesterpredigt sendete der Deutschlandfunk am Silvesterabend 2021 den
Beitrag "Vor
75 Jahren: Kardinal Frings hält die Predigt vom „Fringsen“
", in dem Kardinal Frings im Rahmen eines Interviews noch einmal den
Kernsatz seiner Predigt zitiert. So ähnlich dürfte es sich angehört haben
als er von der Kanzel in St. Engelbert predigte. Eine weitere Erinnerung finden Sie auch auf der
Webseite des Domradio unter dem Titel: "Kardinal
Frings über das "Fringsen" ".
Leider erinnerte keine
der Kölner Zeitungen oder der WDR an dieses Ereignis, das vielen Menschen
das Leben gerettet hat.
Der Leitspruch von Kardinal Frings lautet: „Pro hominibus constitutus"
("Für die Menschen bestellt). Wie kein anderer Erzbischof von Köln hat er
diesen christlichen Wahlspruch - oder besser Auftrag - umgesetzt. An diese
Menschlichkeit konnte keiner seiner Nachfolger auch nur im Entferntesten
aufschließen. Die Stadt Köln verlieh ihm 1967 die Ehrenbürgerwürde. Im
gleichen Jahr wurde ihm auch die Ehrenbürgerwürde seiner Geburtsstadt
Neuss verliehen.
Aber die
eigentliche Würdigung ist die, dass er auch noch Jahrzehnte nach seinem
Tod in den Herzen der Kölner Bürger weiter lebt und für seine
Menschlichkeit geliebt wird.