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     Wie der Begriff "fringsen" entstand.
 
Dieses Kapitel hat direkt nichts mit der Geschichte der Kölner Luftfahrt zu tun, obwohl natürlich auch Flieger gerne im Warmen sitzen. Der Begriff "fringsen" hatte in der unmittelbaren Nachkriegszeit eine sehr große Bedeutung in Deutschland. Dazu gibt es im Internet immer wieder nur bruchstückhafte Teile zu lesen. Da es sich bei St. Engelbert in Köln-Riehl aber um meine Heimatpfarrei handelt und mein Vater auch eine kleine Rolle in dieser Geschichte gespielt hat, möchte ich hiermit nun diese Geschichte zum 70. Jubiläum so umfangreich wie möglich inkl. der Hintergründe veröffentlichen.


   
Kardinal Josef Frings und Pastor Jacob Clemens St. Engelbert Köln-Riehl
Freunde
Kardinal Josef Frings und Pastor Jacob Clemens 
   
St. Engelbert Köln-Riehl nach dem Bombentreffer
 Blick durch die offene Chorwand auf Riehl.
 
 
 
Die Pfarrkirche St. Engelbert in Köln-Riehl ist nicht nur wegen ihrer modernen Architektur von Prof. Dominikus Böhm bekannt, sondern auch durch die Silvesterprdigt des Kölner Erzbischofs Kardinal Josef Frings durch den der Begriff "fringsen" erfunden wurde. Aber wie kam es zu dieser Geschichte?

Kardinal Frings und der damalige Dechant und Pastor Jakob Clemens waren enge Freunde. Aus diesem Grund besuchte Kardinal Frings auch öfter die Gemeinde St. Engelbert in Köln-Riehl. So besuchte er nach der Ernennung zum Erzbischof von Köln auch ihm Rahmen seiner Antrittsreise St. Engelbert - vielleicht auch um mit seinem Freund Jakob Clemens die Ernennung zu feiern. Meine Mutter erzählte, dass Pastor Clemens wie auch seine Schwester - die ihm den Haushalt führte - jederzeit hilfsbereit und freundlich waren.

Zur Gemeinde St. Engelbert gehörten auch die Elendssiedlungen am Niehler Hafen und das Naumann-Viertel. Der Leitspruch von Kardinal Frings lautet: „Pro hominibus constitutus" was "Für die Menschen bestellt“ bedeutet. Er verstand sich also verantwortlich für die Menschen.

St. Engelbert Köln-Riehl nach dem Bombentreffer
Bombentreffer am 21. April 1944 Chorrückwand, Sakristei, Pfarrsaal, Bücherei und Heizung zerstört.
Aber wie war die Situation, die im Endeffekt zu dieser Predigt führte?
Von 1939 bis 1945 tobte der 2. Weltkrieg in Europa. Während des III. Reichs wurden alle verfolgt, die sich nicht offen zur Politik der Nazis bekannten. Auch Pastor Clemens wurde von den Nazis in Haft genommen. Bis Ende des Krieges war die Versorgung in Deutschland gut, weil Nahrungsmittel und andere Dinge in den besetzten Ländern beschlagnahmt und nach Deutschland wurden. Diese Versorgung brach natürlich ab, nachdem Nazi-Deutschland besiegt war. Nach dem Angriff Deutsch-lands auf die Nachbarländer wurden von den Alliierten nach und nach deutsche Städte bombardiert. Im 21. April 1944 wurde St. Engelbert in Köln-Riehl von einer Luftmine getroffen. Die Unterkirche, die damals als Luftschutzbunker diente, war voller Menschen. Entsprechend groß war der Schreck als die ganze Kirche wankte - aber sie hielt der Explosion stand. Auf Grund der Konstruktion der Kirche wurde nur die Chorrückwand "sauber" heraus gerissen, die restliche Konstruktion blieb annähernd unbeschädigt.
Der damalige Chronist von Riehl Karl Peusquens beschrieb die Szene so: "Im Luftschutzraum unter der Kirche befanden sich im Augenblick des Einschlages 400 Menschen. Der Raum schwankte wie ein Schiff im Sturm, Kalk fiel von den Wänden, aber die Mauern hielten stand." Dabei wurde nicht nur die Chorrückwand herraus gerissen, sondern auch eine Stützwand der Sakristei wurde zerstört, wodurch das Dach auf die Sakristei stürzte. Dabei wurden Messgewänder, Monstranzen, Messkelche und diverse kirchliche Gebrauchgegenstände zerdrückt. Aber auch der Pfarrsaal, die Bücherei, Gruppenzimmer und auch der Heizungskeller zerstört. Zeitzeugen beschreiben die besondere Athmosphäre der Heiligen Messen im Sommer wenn man hinter dem Altar den offenen Himmel über Riehl sehen konnte. Bis dahin war der Chorraum durch einen Bretterzaun mehr oder weniger geschlossen.

St. Engelbert Köln-Riehl nach dem Bombentreffer
Der Chor wurde notdürftig auf Höhe der obersten Stufen zum Hochaltar mit einem Bretterzaun verschlossen.
Im April 1946 begann der Wiederaufbau der Kirche, der erst im November 1946 beendet wurde. Es war ein Wettlauf gegen die Witterung. Am 13. Oktober war die Rückwand geschlossen und am 1. November die Verglasung der linken Chorwand wieder hergestellt. Insgesamt kosten von 36.000,- Mark. Dazu wurden ca. 60.000 Ziegel der alten Notkirche St. Engelbert vom Riehler Plätzchen von der damaligen katholischen Jugend vom Mörtel befreit und für den Wiederaufbau der Rückwand gesäubert. Noch heute sieht man bei genauem Hinsehen, dass die Chorwand in ein paar Metern Höhe einen horizontalen Knick hat. Somit ist die alte Notkirche in der "neuen" Kirche aufgegangen. Die Aufbauarbeiten von Sakristeigebäude, Pfaarsaal, Bibliothek und Heizung wurden erst 1948 abgeschlossen.

Zu dieser Zeit war Köln zu 90 % zerstört, wobei ca. 75% aller Wohnung in Köln durch den Bombenkrieg unbewohnbar waren.

Viele Dinge, die man zum Überleben braucht, waren auf legalem Weg nicht zu bekommen. Berühmt waren auch die Hamsterfahrten in die Eifel oder das Bergische Land um bei Bauern Lebensmittel einzutauschen. Manche Bauern haben so ein Vermögen gemacht. Als mein Vater in diesen Jahren zur Heiligen Kommunion ging, bekam er eine Flasche Milch geschenkt und war sehr froh darüber.
Die Not war sehr groß.
 
Zu diesen Hamsterfahrten hat Toni Ebeler 1947 ein passendes Lied komponiert, dass die Bläck Fööss heute unter dem Titel "Hamsterfahrt" wieder aufleben lassen.

Am 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation somit Kriegsende und Befreiung von der Diktatur, stattete Erzbischof Frings (zum Kardinal wurde er am 18. Februar 1946 erhoben) der Pfarre St. Engelbert einen Besuch ab.
Im Juli 1945 wurde bei einem Einbruch wertvolles Kirchengerät gestohlen.
Zu dieser Zeit strömten tausende Kölner Flüchtlinge zurück in ihr Köln - oder das, was davon übrig geblieben war. Für diese Rückkehrer standen weder Wohnungen noch Nahrungsmittel zur Verfügung. Der Stadtdechant und der evangelische Superintendent verkünden: "Von Evakuierten zurück gelassene Verbrauchsgegenstände (Lebensmittel, Heizstoffe) dürfen von den Zurück gebliebenen verbraucht werden, unter der Verpflichtung späterer Bezahlung. Sonstiger Besitz (Möbel) darf bis zur Rückkehr des Besitzers in Gebrauch genommen werden."

Kohlemarke aus KölnDann kam der Winter. Es sollte der strengste Winter des 20. Jahrhunderts in Europa werden. Die Temperaturen fielen auf bis zu -20 Grad. Alle Wohnungen waren eiskalt - Heizmaterial gab es nicht. Diese Kälte kroch in die Glieder, zusammen mit dem Hunger und den Erinnerungen an den Krieg verfielen die Menschen in Apathie. Das führte zu vielen Kältetoten.
Der Winter 1946/47 war der kältesten Winter seit Jahrzehnten und ging als Hungerwinter 1946/47 in die Geschichte ein.
  
Das zerstörte Köln um 1945
Der Schutthaufen Köln im Sommer 1945.
   
Köln der verschneite Alter Markt mit dem Jan-van-Werth-Denkmal ineiner Trümmerwüste.
Winter 1946 - der verschneite Alter Markt mit dem Denkmal für Jan van Werth auf dem Alter Markt.
 
Obwohl Riehl durch den Krieg relativ verschont wurde, waren wie überall auch hier Wohnungen kanpp und grundsätzlich überbelegt. Somit waren auch Heizungen bzw. Heizmaterial Mangelware. Überall in Deutschland wurden Brikett bzw. (Kölsch) Klütten von den Eisenbahnwagen gestohlen, die eigentlich für die Besatzungsmacht gedacht waren. Die Riehler hatten eine "Quelle" direkt vor der Haustüre. Im Niehler Hafen wurden die Brikett von Schiffen auf Güterwagen umgeladen. Ein paar Jugendliche standen auf den Wagen und warfen die Klütten runter, während andere am Fuß des Bahndamms die Klütten einsammelten und in Kinderwagen, Bollerwagen oder andere Handwagen umzuluden. Oft kam es zu Verhaftungen durch die Polizei oder man musste die "Beute" und Wagen liegen lassen um noch zu entkommen. In wieweit die Polizei und Bahnmitarbeiter sich Mühe gab ist nicht bekannt. Es ist aber von manchen Beamten sowohl bei Polizei als auch bei der Bahn bekannt, dass er beide Augen zudrückte......
St. Engelbert Köln-Riehl um 1930
St. Engelbert um 1930. Noch steht der Altar an der Chorrückwand. Vorne sind noch die Kommunions-bänke zu sehen. Das änderte sich erst mit dem II. Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren.
Kadinal Frings zelebriert eine Messe in St. Engelbert Köln-Riehl
Kadinal Frings zelebriert eine Messe in St. Engelbert Köln-Riehl.
Rechts die Kanzel auf der er seine berühmte Silvesterpredigt gehalten hat.

  
Auf dem schwarzen Markt versickerte die Ernte, weshalb 1946 auch die Rationen verringert wurden. Lt. einer Norm des Völkerbundes benötigte jeder Mensch 2400 Kalorien. Es konnten auf Grund der Versorgungslage aber nur 1500 Kalorien ausgegeben werden, die dann aber auf 800 Kalorien verringert werden mussten. Also nur 1/3 der vorgegebenen Mindestnorm! Hungerödeme waren eine weit verbreitet Krankheit.
In dieser Zeit besuchte Kardinal Frings oft inkognito mit Pastor Clemens die Riehler Elendsquartiere in der Barbara-Kaserne (1984 abgerissen, heute Bundesverwaltungsamt) oder das Fischerdorf am Niehler Hafen (wurde zur Erweiterung des Niehler Hafens geräumt und abgerissen). Der Kardinal wusste also wovon er sprach als er seine Prdigt formulierte!

 
Da der Dom und das Erzbischöfliches Palais auf Grund einer Vielzahl von Bombentreffern nicht genutzt werden konnte und man Silvester auch mit Freunden verbringt, zelebrierte Kardinal Frings am 31. Dezember 1946 die Silverstermesse bei seinem Freund Pastor Clemens in Köln-Riehl in der eiskalten Kirche St. Engelbert.
Wie Zeitzeugen berichten, war die Kirche in dieser Nacht voll. Nur auf dem Altar brannten Kerzen, ansonsten war es in der Kirche stockdunkel und eiskalt (weit unter 0 Grad). Auf Grund der Kälte forderte der Kardinal die Kirchenbesucher auf die Hüte und Mützen aufzubehalten .
 
 
 
In dieser Silvesterpredigt behandelte er die Zehn Gebote. Als er im Rahmen der Gewissenprüfung zum siebten Gebot kam, das lautet: "Du sollst nicht stehlen.", erklärte er unter dem sehr starken Eindruck des ganzen Elends in Riehl, in Köln, in ganz Deutschland in seiner Predigt in Bezug auf die Plünderungen von Kohlenzügen und die schlechte Versorgungslage Folgendes:

 
„Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder durch Bitten, nicht erlangen kann.“
Weiter erklärte Kardinal Frings, der ja seine Rheinländer kannte:
„Aber ich glaube, dass in vielen Fällen weit darüber hinausgegangen worden ist. Und da gibt es nur einen Weg: unverzüglich unrechtes Gut zurückgeben, sonst gibt es keine Verzeihung bei Gott.“

Das wurde aber gerne überhört. Außerdem erklärte der Kadinal:
"
Wir stehen am Rand der Zeit und erkennen enttäuschte Hoffnung, aber auch neuen Anfang... Wer ein Volk in leibliche Not stürzt, braucht sich über sittliches Elend nicht zu wundern. Mit dem Fehlen der Grundbegriffe der Volksmoral, insbesondere der geschlechtlichen Sauberkeit und des Eigentumbegriffes, ist die Axt an die Wurzeln unseres Volkskörpers gelegt. Der Mensch steht entweder über dem Tier, oder weit unter ihm! Im Höllensturz der jüngsten Vergangenheit sanken Menschen unter das Tier und schufen im Kampf gegen die abendländische Kultur jene materiellen und seelischen Ruinen, vor denen wir heute stehen."

Die Kölner verstanden aber: "Der Frings hat erlaubt Klütten zu klauen." Das war natürlich eine weite Auslegung der Predigt, aber Not macht erfinderisch. Der Kardinal war auch Jahre später nicht glücklich, dass seine Predigt so ausgelegt wurde. Eigentlich wollte er den Alliierten nur einen kleinen Denkzettel mitgeben.

Blick von der Kanzel von St. Engelbert
Blick von der Kanzel von St. Engelbert in die dunkle Kirche.
 
Silvesterpredigt von Kardinal Frings in St. Engelbert in Köln-Riehl
Manuskript der Silvesterpredigt
mit freundliche Genehmigung des Erzbischöflichen Archivs Köln
 
 
Noch im hohen Alter, kurz vor seinem Tob bedauerte er die Wortwahl und erklärte, dass er das so nicht gemeint hat.

Rückblickend kann man sagen, dass er so viele Menschen vor dem Erfrieren gerettet hat. Hätte er eine andere Wortwahl benutzt, wäre durch mangelnden Kohlen"klau" der ein oder andere Menschen erfroren. Daher musste sich der Kardinal keine Vorwürfe machen.
 
Das Manuskript der Silvesterpredigt liegt im Erzbischöflichen Historischen Archiv und ist das Dokument, dass die Besucher immer wieder sehen wollen.
Das Wappen von Kardinal Frings
Das Wappen von Kardinal Frings mit seinem Wahlspruch:
„Pro hominibus constitutus"
"Für die Menschen bestellt."
Also nahmen diese Art der "Besorgung von Heizmaterial" spürbar zu. Schließlich war es ja von höchster kirchlich-moralischer Instanz erlaubt - wie man sagte. Sofort bezeichneten die Kölner kleinere Diebstähle oder Unterschlagungen als „fringsen“. Das damit am Anfang bestimmt ein schlechtes Gewissen verbunden war ist möglich. Hier wurde durch den Kardinal etwas moralischer Druck genommen. Allerdings entwickelte dieser Begriff in ganz Deutschland eine Eigendynamik die so nicht von ihm geplant war. Ein Redakteur der Kölnischen Rundschau formulierte: "Die Moral sinkt unter dem Würgegriff der Not. Nur zum Teil sind sich die Menschen ihres Handelns bewusst." Natürlich bemerkte das, aber auch die Zunahme des Klüttenklaus auch die britische Militärregierung. Die Briten waren entsetzt. Der Kardinal musste sein Manuskript zw. Prüfung einreichen. Dieses Manuskript ist hier links abgebildet. Wie wenig das Manuskript den Briten geholfen haben dürfte eine Aufklärung dieses "Falls" durchzuführen, sehen Sie selber.
Kardinal Frings wurde zu einem ernsten Gespräch beim damaligen neuen britischen Gouverneur der Rheinprovinz William Asbury nach Düsseldorf vorgeladen. Im Vorzimmer saß ein Oberst, der den Kardinal empfing und ihm eine Zigarette anbot. Man telefonierte überall herum, um den Gouverneur zu finden, der war allerdings nirgendwo zu finden. Nachdem sich der Gouverneur also verspätete, erklärte Kardinal Frings (immerhin der höchste Repräsentant der katholischen Kirche und somit der einzigen noch funktionierenden Organisation in der Trümmerwüste Deutschland) nach ca. zehn Minuten Wartezeit (Zitat) "Ich kann aber nicht länger warten, ich bitte Herrn Asbury meine Empfehlung auszurichten, ich muss jetzt gehen." Wie der Kardinal weiter erzählte, hätte der Oberst ihn am liebsten gewaltsam zurück gehalten aber da war Frings schon fort. Er erklärte seinem Fahrer: "Jetzt schleunigst weg, es konnte gar nicht besser gehen." Später kam ein Entschuldigungsbrief von Gouverneur Asbury.

1983 stiftete der Heimatverein Alt Köln e.V. unter dem Vorsitz von Dr. Heribert Hilgers eine Gedenkplatte um an diese Prdigt und ihre Auswirkungen zu erinnern. Die Platte wurde vom Vorstandmitglied Walter Anderle gestaltet und von der Firma Kreiten angefertigt. Mein Vater hat die Platte dann an der Kanzel von St. Engelbert angebracht. Bei den Stiftern handelte es sich um Zeitzeugen die damals als Kinder selber Klütten gefringst hatten um nicht zu erfrieren oder zu verhungern.
 
Die Kölner haben ihm nie vergessen wie er ihnen moralisch half. Kardinal Josef Frings ist der einzige Kölner Kardinal, der zum Ehrenbürger der Stadt erhoben wurde.
   
Gedenkplatte zur Silvesterpredigt in St. Engelbert durch Kardinal Frings in Köln-RiehlKöln
  
Kardinal Josef Frings auf offiziellem Besuch in St. Engelbert in Köln-Riehl.
Kardinal Josef Frings auf offiziellem Besuch in St. Engelbert in Köln-Riehl.
Kardinal Frings ist nicht nur wegen dieser Auslegung in die Herzen der Rheinländer eingegangen. Er verstand sich als Leutepriester, jemand der sich um die kleinen Leute sorgt und hilft. So ist auch sein Wahlspruch zu sehen: "Pro homnibus constitutus" -> Für die Menschen bestellt. Über die spätere Bezeichnung "Volksbischof" hat er sich sehr gefreut, wie man in dem hier unten angefügten Video sehen kann. Aber auch sein Humor und auch seine Menschlichkeit macht ihn zu einer Person, die nicht nur geachtet, sondern auch geliebt wurde. Mit feinem Humor verstand er es, seine Rheinländer zu führen und zum Nachdenken zu bringen.
Noch mit der Not der deutschen im Kopf, war er auch maßgeblich an der Gründung der Hilfsorganisation Misereor und Adveniat beteiligt.
So wie Besucher Kartoffeln auf das Grab des Alten Fritz legen, sollten die Besucher auch Klütten vor das Grab des Kardinals legen können (was leider nicht möglich ist).

Während des II. Vatikanischen Konzils nahm er einen entscheidenden Einfluss daran den Katholizismus in eine menschlichere Richtung zu lenken. Einer seiner Berater während des Konzils war Professor Josef Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI.
 
Mit seinem Rheinischen Humor verstand er es Problem verständlicher zu machen. Als ihm einmal vorgehalten wurde, dass er vor der Bischofsweihe unbefangener gesprochen hatte, erwiederte Frings mit dem Selbstverständnis seines hohen Kirchenamtes aber auch mit Altersweisheit: "Werden Sie erst mal Bischof, dann sagen Sie auch nicht mehr alles, wat Sie vorher jesagt und jedacht haben!"
Kardinal Frings erblindete im hohen Alter. Auf dieses Gebrechen angesprochen erwiederte er einmal: "Jod luure kann ich schlääch, ävver schlääch hüre, dat kann isch jod" (Gut sehen kann ich schlecht, aber schlecht hören, das kann ich gut! )
 
Die Messdiener von St. Engelbert planten im Herbst 1978 den alten Kardinal zu besuchen. Wir waren uns sicher, dass er sich auch auf Grund seiner Verbindung zu St. Engelbert sehr gefreut hätte. Aber dazu sollte es nicht mehr kommen. Am 17. Dezember 1978 verabschiedete sich Kardinal Josef Frings. Seine letzte Ruhestätte fand er in der Bischofsgruft der Kölner Erzbischöfe unter dem Hochaltar des Kölner Doms und somit auch geografisch im Herzen von Köln. Ein verdienter Ruheplatz. 
 
Josef Frings war kein abgehobener Theologe mit erhobenem Zeigefinger, sondern ein Priester aus und für das Volk. Er liebte die Menschen und deshalb liebten die Menschen ihn.

Aber das war nicht die einzige Verbindung des Kardinals zu St. Engelbert. Kardinal Frings und Pastor Clemens (Pfarrer von St. Engelbert) fuhren auch zusammen in Urlaub oder waren am Wochenende auf Wanderschaft in der Eifel. Der damalige Kaplan Nikolaus Vogt (später Pastor in St. Laurentius Porz-Ensen), in St. Engelbert seit 1948, unternahm mit den Messdienern aus St. Engelbert Vortouren, um seinem Pastor dann Bericht zu erstatten wo es sich lohnte einzukehren oder wo man gut übernachten konnte.
Die ehemaligen Messdiener trafen sich noch bis in die 1990er Jahre am Namenstag von Pastor Nikolaus Vogt bei ihm zu Hause in Köln-Ensen.
 
 
 
Prozession in St. Engelbert Köln-Riehl
Die Messdiener von St. Engelbert. Rechts mein Vater Hans Günter Müller, links sein Freund Adolf Bailly
Bitte bewegen Sie den Cursor über das Foto.
 
  
 
 
Hans Günter Müller mit Pastor Clemens St. Engelbert Köln-Riehl
Mein Vater Hans Günter Müller mit Pastor Clemens.
 
 
 
 
Kaplan Schneider, Kaplan Maßen, Pastor Clemens, Kaplan Vogt Köln-Riehl St. Engelbert Pfarrsitzung in der Flora
Kaplan Schneider, Kaplan Maßen, Pastor Clemens, Kaplan Vogt Pfarrsitzung Karneval 1955 in der Flora.
Kaplan Nikolaus Vogt begrüßt Kardinal Frings vor der Kirche St. Engelbert in Köln-Riehl
Kaplan Nikolaus Vogt begrüßt den Kardinal vor der
Kirche St. Engelbert.
 
Aber auch in den folgenden Jahren besuchte Kardinal Frings St. Engelbert immer wieder gerne. Das Bild unten zeigt ihn bei einer Visitation des Kindergartens von St. Engelbert mit Pastor Clemens. Pastor Clemens verstarb im Schlaf am 23. Mai 1963 auf Christi Himmelfahrt, nachdem er das Hochamt gehalten hatte und sich nach dem Mittagessen noch einmal hingelegt hatte. Wie der damalige Messdiener Toni Annas erzählte, celebrierte Kardinal Frings noch die Exsequien für seinen Freund Jakob Clemens, was ihm verständlicherweise schwer gefallen ist. Da sein Freund verstorben war, gab es für Kardinal Frings nach 1963 keinen Anlass mehr nach Riehl zu kommen. Die Nachfolge von Pastor Clemens übernahm Pastor Gerhard Blinne.
 
Kardinal Frings Pastor Clemens Weihbischof Cleven Kindergarten St. Engelbert Köln-Riehl
Vorne Kardinal Frings, dahinter Pastor Clemens, links Weihbischof Cleven. Rechts die Kindergartenleiterin Frau Willms mit den Kindern des Küsters Peter Metzemacher. Frau Willms war auch die Kindergartenleiterin des Verfassers.

Griundsteinlegung des Jugendheims St. Engelbert Köln-Riehl
Schon mein Großvater Leo Müller war im Kirchenvorstand tätig. Hier bei der Grundsteinlegung des neuen Jugendheims. Mit dabei auch Matthias Bailly, der Vater von Adolf Bailly, der jahrelang die Kollekte in der Kirche einsammelte. Weiter rechts sein ältester Sohn Everhardt Bailly.Im Hintergrund der Direktor der Katholischen Grundschule Gartestraße Bühlstahl. Geleitete wurde die Zeremonie von Pastor Clemens und Kaplan Vogt, der für die Jugend zuständig war.

 












    
Hans Günter Müller - Köln
Mein Vater Hans Günter Müller - Zeitzeuge
(1935 - 2007)
Schon in jungen Jahren war mein Vater aktiv in der Gemeinde tätig. So vertrat er den Küster Peter Metzemacher nach der letzten Messe, wenn Prof. Dominikus Böhm eine Führung durch seine Kirche unternahm, und schloss die Kirche ab. Später war mein Vater auch im Kirchenvorstand aktiv und übernahm verschiedene Aufgaben. Dazu gehörten auch die umfangreichen Instandsetzungen des Pfarrhofs von St. Engelbert, Beratung bei der Renovierung der Kirche (Verbesserung der Akustik), Organisation der Pfarrsitzung in der Flora aber auch die Durchführung von Ferienlagern für Riehler Kinder und Jugendliche in Kürten und Eddigehausen.

Als Messdiener hatte er in einer Bank unter der Kanzel Knetdübeldiese Predigt gehört. Daher war es nun für ihn, der auch Mitglied im Heimatverein Alt Köln e. V. war, etwas ganz Besonderes diese Gedenkplatte an der Kanzel anzubringen.
 
Das Problem war allerdings wie diese Tafel befestigt werden sollte. Die Tafel hatte keine Bohrlöcher sondern angegossenen Zapfen. Um genaue Löcher zu bohren, fertigte mein Vater zuerst eine Bohrschablone aus Holz an. Dazu empfahl ihm der Riehler Eisenwarenhändler Herr Thurn sogenannte Knet- oder auch Gipsdübel. Diese Dübel wurden in Wasser eingelegt und in das Bohrloch gestopft. Danach wurden die Zapfen der Gedenkplatte in die mit Gipsdübel präparierten Löcher gedrückt. Vorher befestigte mein Vater hinten an der Platte aber einen Zeitungsartikel mit den Informationen der Schenkung des Heimatvereins Alt Köln in einer Klarsichthülle.

Bild rechts: Die originale Dose mit den Knetdübeln.

 
Bild unten: Die erste Aufnahme der neuen Gedenkplatte kurz nach der Befestigung an der Kanzel.
Die erste Aufnahme der neuen Gedenkplatte zum Thema "fringsen" kurz nach der Befestigung an der Kanzel.
     
Bild unten: Die Kanzel  mit der Gedenkplatte Ende Dezember 2016
Die Kanzel von St. Engelbert mit der Gedenkplatte zum Thema "fringsen" Ende Dezember 2016
    
Bild unten: St. Engelbert in Köln-Riehl
St. Engelbert in Köln-Riehl


     

Die bekannte Kölner Künstlerin Gerda Laufenberg hat das Thema "fringsen" in einem ihrer vielen kreativen Köln-Bilder aufgegriffen.
Hier schwebt der Kardinal wie ein guter Geist über dem zerbombten dunklen Köln, während "unter seinen Augen" die Kölner Klütten fringsen um zu überleben.
 
 
Weitere Bilder finden Sie auf der Webseite: www.gerdalaufenberg.de




     


Ein Nachruf zum 125. Geburtstag von Josef Kardinal Frings vom Dom-Radio mit ausführlicher Erwähnung der Silvesterpredigt und seines Wirkens während des II. Vatikanischen Konzils. Prälat Norbert Trippen erzählt hier, wie sich Kardinal Frings und der jungen Professor Josef Ratzinger trafen.
 
Anlässlich des 75 Jahrestages der Silvesterpredigt sendete der Deutschlandfunk am Silvesterabend 2021 den  Beitrag "Vor 75 Jahren: Kardinal Frings hält die Predigt vom „Fringsen“ ", in dem Kardinal Frings im Rahmen eines Interviews noch einmal den Kernsatz seiner Predigt zitiert. So ähnlich dürfte es sich angehört haben als er von der Kanzel in St. Engelbert predigte.
Eine weitere Erinnerung finden Sie auch auf der Webseite des Domradio unter dem Titel: "Kardinal Frings über das "Fringsen" ".

Leider erinnerte keine der Kölner Zeitungen oder der WDR an dieses Ereignis, das vielen Menschen das Leben gerettet hat.


     
Der Leitspruch von Kardinal Frings lautet: „Pro hominibus constitutus" ("Für die Menschen bestellt). Wie kein anderer Erzbischof von Köln hat er diesen christlichen Wahlspruch - oder besser Auftrag - umgesetzt. An diese Menschlichkeit konnte keiner seiner Nachfolger auch nur im Entferntesten aufschließen.
Die Stadt Köln verlieh ihm 1967 die Ehrenbürgerwürde. Im gleichen Jahr wurde ihm auch die Ehrenbürgerwürde seiner Geburtsstadt Neuss verliehen.

 
Aber die eigentliche Würdigung ist die, dass er auch noch Jahrzehnte nach seinem Tod in den Herzen der Kölner Bürger weiter lebt und für seine Menschlichkeit geliebt wird.
  
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