Sehenswürdigkeiten in Hamburg
 |
Obersteuermann
Ernst Fegert |
England hatte zur Verteidigung seiner Insel eine
Fernblockade eingerichtet und um die Versorgung des Reiches von außen zu
verhindern. Für den internationalen Frachtverkehr und Fischerboote gab es
beflaggt einen neutralen Korridor. Er wurde von beiden Seiten kontrolliert,
um Warenschmuggel zu unterbinden.
Mein
Großvater war in Tondern stationiert, dem damals nördlichsten
Luftschiffhafen des Reiches. Ab 1920 wurde das Gebiet per Volksabstimmung
wieder Dänemark angegliedert.
Am 23. April 1917, früh
morgens hieß es Leinen los für das Marine-Luftschiff L 23, es wurde
Fernaufklärung befohlen. Die 4 Seitenmotoren mit je 240 PS surrten los.
Man fuhr an der dänischen
Nordseeküste Richtung Skagerrak entlang. Zwischen Hanstholm und Norwegen lag
die neutrale Fahrrinne, die es zu kontrollieren gab. Diese Aufklärungsfahrten waren nicht sehr beliebt, sie
wurden als langweilig empfunden, man fuhr stur Planquadrat für Planquadrat
ab und suchte mit dem Fernglas das Wasser ab.
 |
Marineluftschiff L23 auf dem Marsch |
Diese Planquadrate suchen Sie
im Atlas vergebens, sie wurden eigens für die Marine in der Nord- und Ostsee
eingeführt. Der Steuermann bekam das Planquadrat zum Einsatz gemeldet und er
wusste durch Ziffern und griechische Buchstaben, welches Gebiet er
anzusteuern hatte.
Man ging auf 3000 m hoch als man sich der
Fahrrinne näherte. Man musste mit Feindberührung rechnen. In der Höhe konnte
die Flak der Kriegsschiffe dem Zeppelin nichts anhaben.
Aber es war kein Zerstörer in Sicht. Man ging wieder auf
die Aufklärungshöhe von 1000 m und sah an der Steuerbordseite ein
Segelschiff mit westlichem Kurs. Das war ungewöhnlich und höchst verdächtig.
Man kreiste über dem Großsegler, ging auf 300 m herunter und rief per
Flüstertüte, aus welchem Land sie seien und wohin sie unterwegs sind. Keine
Antwort, stattdessen ließ die Bark ein Beiboot zu Wasser und ein Teil der
Besatzung ruderte in Panik von ihrem Schiff weg. Das andere Beiboot wurde
ebenfalls in aller Eile zu Wasser gelassen, dasselbe Bild. Jeder in der
Luftschiffgondel hatte das Glas vor Augen und beobachtete
die Leute, hatten die Waffen dabei? Man blieb auf Distanz und beobachtete
das Desaster, was sich ihnen bot. Unten auf dem Wasser war man auch
unentschlossen, wo sollte man hin, ein Entrinnen vor dem Zeppelin war
unmöglich. Das Luftschiff schraubte sich weiter herunter und fuhr über eines
der Beiboote und wieder kam die Frage: Welche Nation, wohin soll die Reise
gehen? Nun bekamen sie eine Antwort: Norwegische Bark „Royal“ auf dem Weg
nach England. Was haben Sie geladen? Grubenholz für W.-Hartlepool. Also
Konterbande (Schmuggelware).
 |
Das
Priesenkommando
Wiesemann - Fegert - Engelke |
 |
Kommandant Ludwig Bockholt |
Inzwischen war auf dem
Luftschiff eine Diskussion entbrannt, da könnte man eine Prise machen und
der Steuermann Fegert im Zivilberuf Kapitän auf Großer Fahrt, bot sich an,
das Prisenkommando zu übernehmen und die Bark sicher nach Cuxhaven zu
bringen. Aber der Kommandant Bockholt war noch unentschlossen, das könnte
eine gefährliche Chose werden, aus einem Luftschiff heraus hatte noch keiner
gewagt ein Schiff zu entern. Jeder an Bord wollte dabei sein, das Abenteuer
wollte sich keiner entgehen lassen. Fegert war gesetzt, man wählte noch 3
weitere Kameraden, dann war Kaleu Bockholt auch einverstanden. Und dann
folgte ein Befehl, den die Kaiserliche Marine nie wieder hören sollte:
"Steuermann Fegert übernehmen sie die Prise!"
Die Windstärke hatte
zugenommen, das Wasser war aufgewühlt, es war kein leichtes Unterfangen, vom
Luftschiff auf ein kleines Beiboot umzuschiffen. Man rief die Beiboote zu
sich, aber der Kapitän in dem 1. Beiboot zog es vor, wegzurudern. Bockholt
gab Anweisung, das 2. Beiboot anzufahren und dann gab es das Kommando:
Fegert, machen Sie klar zur Übernahme der Prise. Sternsignalpistole und
Maschinengewehr lagen bereit. Das Wetter schlug um, Nebelbänke zogen übers
Wasser, der Wind machte den Beibooten zu schaffen. Fegert nahm seine
Sternsignalpistole um den Hals und stieg die Leiter herunter ins Beiboot,
Wiesemann, der Rudergänger und Engelke, der Obermaschinenmaat, folgten und
plötzlich hob sich der Zeppelin mit dem 4. Mann und dem Maschinengewehr. Das
Luftschiff wurde
zu leicht durch den Verlust der 3 Männer. Bockholt rief ihnen noch zu, er
wird Hilfe schicken. Der
Kommandant von L 23 überfuhr das andere Beiboot und wies den Kapitän an, zu
seinem Segler zurück zu kehren. Nun ließ er sich nicht mehr lange bitten und
kam der Aufforderung nach.

Auf der Bark angekommen, wurden Kapitän und
Steuermann in die Kajüte gesperrt, die Segel an den Wind gebracht, Kurs
Deutsche Bucht, Richtung Cuxhaven.
Fegert ließ die
Besatzung achter rauskommen und erklärte die Prise als deutsches
Kriegsschiff und sagte den Männern, dass sie jetzt unter Kriegsrecht stehen.
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, lud er vor ihren Augen die harmlose
Sternsignalpistole und ließ verlauten: Bei dem geringsten Widerstand,
sprenge ich das Schiff in die Luft, dann ist Schluss mit der christlichen
Seefahrt! Verstanden? Das hatte wohl mächtig Eindruck hinterlassen, wobei
ich nicht sicher bin, war es sein grimmiger Gesichtsausdruck oder das Trumm
von Pistole, mit der er herumfuchtelte. Durch einen Sprecher ließ die
Besatzung erklären, dass sie sich den Anordnungen fügen werden.
Vorsichtshalber
mussten außer dem Rudergänger und dem Ausguck alle unter Deck gehen, die
Versuchung bei der Unterbewaffnung wäre zu groß gewesen.
 |
Fregattenkapitän
Peter Strasser
F. d. L. Führer der Luftschiffe |
Das Luftschiff begleitete sie noch eine Weile, um
sicher zu gehen, dass Fegert alles im Griff hat. Das Wetter wurde schlechter, der Wind
flaute ab und Nebel stieg auf. Für jedes Schiff ein Alptraum. Wegen
Windmangelns konnten sie in der Deutschen Bucht keinen Zickzackkurs fahren,
die war vermint, sie mussten das Loch in der Sperre mit Zeitverzögerung
durchfahren. Das Luftschiff verlor sie wegen des Nebels aus den Augen, eine
brenzlige Situation. Es wurde eine lange Nacht, Hilfe blieb wegen des Nebels
aus. Gegen Abend des nächsten Tages drehte ein Vorpostenboot auf die Bark
zu, machte klar zum Gefecht, da half nur noch die Sternsignalpistole, die
signalisieren sollte, wir sind Landsleute. Ungläubig umfuhren sie den
Großsegler, Fegert erzählte später, die hielten sie für Klabautermänner,
ungläubig nahmen sie ihm ab, dass sie die Prise von einem Luftschiff
genommen haben.
Dann erreichten sie Elbe IV. Dort wartete ein
Prisenkommando bis unter die Zähne bewaffnet und wollte die Bark übernehmen.
Diese Prise wollte sich Fegert aber nicht mehr aus der Hand nehmen lassen
und machte von seinem Wissen als Kapitän Gebrauch. Papiere wurden
ausgetauscht und zähneknirschend ließ man ihn ziehen.
In Cuxhaven wurde das
Prisen-Trio vom
Führer der Luftschiffe Peter Strasser höchstpersönlich im Wagen abgeholt
und nach Nordholz, dem größten Luftschiffhafen gebracht.
Natürlich war man stolz
auf den Mut und die fahrerische Leistung, aber es blieb auf der Welt das
einzige Husarenstück von einem Luftschiff aus, eine Prise zu machen.
Strasser hatte weitere Mutproben verboten, sie waren zu gefährlich und er
wollte seine Luftschiffe nicht in Gefahr bringen. Alle drei freuten sich
aber über eine Beförderung.
|